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Aber von diesen Voraussetzungen stimmt nur die eine, daß „man“ ein Stück geschrieben hat … Man tut überhaupt nichts andres. Die Rampenlichter gleißen so golden; ihre Strahlen verheißen Ruhm, Bewunderung, Reichtum. So strömen hunderte, tausende von Stücken in die Kanzleien. Wogen des Dilettantismus überschwemmen sie, und wer kann in solcher Sturmflut den Ackerboden des Talentes retten? Es ist unmöglich, den „Einlauf zu bewältigen“, seufzen die Theaterleiter oder die armseligen Kulis, die sie schandenhalber – oder soll man sagen ehrenhalber? – für diese überflüssige Arbeit gemietet haben. Und dabei jammern sie doch stets über den Mangel an „brauchbaren“ Theaterstücken, die „Rollen“ haben. Vor allem in Lustspielen ist der Auftrieb für den Markt nur schwach beschickt. Diese Not hat freilich tiefere Gründe: den Mangel einer deutschen Gesellschaft, in der sich Stände und Klassen mischen. Wie könnte es ein Gesellschafts-Lustspiel ohne Gesellschaft geben? So müssen sich die Massen mit der gottgeschlagenen Trivialität des deutschen Normalschwanks füttern lassen, der selbst dem für Witz, Grazie und leichte Plauderkunst nicht sonderlich begabten deutschen Volke nicht recht munden will. Wir haben wie etwa Kadelburgs „Familientag“ – faute-de-mieux-Erfolge.

Sind sie wirklich notwendig und wird nichts Besseres geschrieben in deutschen Landen? Die Antwort hierauf muß lauten: Es gibt Besseres – aber dies Bessere wird nicht aufgeführt. Es ist nur ein scheinbares Paradoxon, wenn man von einem Kampfe des Theaters gegen die Literatur spricht. Einen Beweis dafür kann man nur durch Anführung einzelner Tatsachen, nicht im allgemeinen erbringen; denn wer kennt nichtaufgeführte Stücke? Es ist nur selbstverständlich, dass niemand sie druckt, weil niemand sie liest. Wer ahnt, welche Fülle von Talent und Kraft mit Bedauern als „zur Aufführung nicht geeignet“ zurückgewiesen wird? Man könnte vielleicht an die Schwierigkeiten erinnern, mit denen sich manche Große durchsetzten, an die Zufälle, denen sie ihre verspätete Entdeckung dankten, und daraus schließen, daß andre Große ohne die Gunst solcher Zufälle unbekannt geblieben sind. Aber hier soll garnicht von Genies die Rede sein, nur von achtbaren und ehrlichen Begabungen.

Das Stück wird eingereicht, wird – das kommt vor, seit einigen Jahren häufiger – vom Dramaturgen gelesen. Aber wie? Unlustig, mit dem Gefühle verlorener Zeit und vergeudeter Nervenkraft. Täglich drei Stücke zur Begutachtung – wer könnte da auch seinen guten Willen behalten! Daß die Dramaturgen fast durchweg selbst zurückgesetzte Dramatiker sind, erhöht naturgemäß ihre Genußfreuden nicht sonderlich. Sollen sie das Stück dem Direktor empfehlen? Wie ungern liest der große Mann Manuskripte! Gefällt es seiner Weisheit nicht, so haben sie Vorwürfe wegen seiner verschwendeten Zeit und ihres mangelnden Verständnisses zu hören. Gefällt es ihm und wird es – unter tausenden

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bauer: Die Straße des Ruhms. Reiss (Die Schaubühne, Jahrgang 1 (1905) Nr. 3, Seiten 59-62), Berlin 1905, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Schaub%C3%BChne_Jg._1_(1905)_-_Nr._3_-_S._59-62_(Ludwig_Bauer_-_Die_Stra%C3%9Fe_des_Ruhms).pdf/2&oldid=- (Version vom 19.4.2023)