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Die Schaubühne

21. September 1905.

I. Jahrgang. Nummer 3.

So gewiß sichtbare Darstellung mächtiger
wirkt als toter Buchstabe und kalte Erzählung,
so gewiß wirkt die Schaubühne
tiefer und dauernder als Moral und Gesetze.
 Schiller.

Die Straße des Ruhms.


Am meisten ungekannt bleiben stets jene Dinge, über die am reichlichsten geschrieben wird. Worte haben eine eigentümliche Kraft in sich, Tatsachen zu verhüllen, und in keiner Flüssigkeit ertrinkt die Wahrheit häufiger als in der Tinte. So kennt denn auch die große Menge vom Theater nicht mehr als die paar Stücke, die zufällig aufgeführt und aus fast immer unkünstlerischen Gründen die Saison-Erfolge werden: also – durchaus ernsthaft gesprochen – so ziemlich das Nebensächlichste und Gleichgiltigste. Wenn sich unter den geistig Führenden der Nation eine solche Verachtung gegen die Vorherrschaft des modernen Theaters in dem noch immer so genannten „geistigen Leben“ entwickelt hat, wenn sich eine intellektuelle Minderheit, angewidert von „Schlagern“ und „Kassen-Erfolgen“, aus dem Bereiche der Alt-Heidelberger und der Zapfenstreich-Musikanten in stillere Gelände flüchtet, so kann man ihre Erbitterung wohl begreifen. Vielleicht findet sich ein andermal Gelegenheit, der Frage Antwort zu suchen, ob nicht das Theater als solches sich mehr denn jede Kunst mit unechten Stoffen legieren muß, ob nicht zwischen der Zahl der Genießenden und dem Werte des Genuß-Objektes ein Verhältnis von gerader Gegensätzlichkeit besteht. Hier soll uns diese abstrakte Untersuchung nicht beschäftigen, vielmehr wollen wir das Verhältnis des Dramatikers zum Theater betrachten. Soviel darüber geschrieben wurde, so wenig ahnt die große Menge sein wahres Wesen.

Nicht wahr, die Sache scheint so einfach? Man hat ein Stück geschrieben und schickt es an einen[WS 1] Theaterdirektor, der das Genre dieser Arbeit pflegt. Er liest es und seine Antwort ist „Ja“ oder „Nein“ …

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: einem
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bauer: Die Straße des Ruhms. Reiss (Die Schaubühne, Jahrgang 1 (1905) Nr. 3, Seiten 59-62), Berlin 1905, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Schaub%C3%BChne_Jg._1_(1905)_-_Nr._3_-_S._59-62_(Ludwig_Bauer_-_Die_Stra%C3%9Fe_des_Ruhms).pdf/1&oldid=- (Version vom 19.4.2023)