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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

Unglück sehr nahe; sie ist ein gutes Mägdchen. Sie sprach mit den armen Leuten sehr gütig; sie war sehr leutselig, sehr höflich.“ Es befanden sich so gar viele Edelleute, die sie heurathen wollten, ob sie gleich keinen Dreyer hatte. Sie sagete aber zu ihnen, sie könnte sich nicht entschließen, ihren armen Vater in seinem Unglücke zu verlassen, und sie wollte ihm auf das Land folgen, damit sie ihn tröstete, und ihm arbeiten hülfe.

Die arme Schöne war anfänglich sehr niedergeschlagen darüber gewesen, daß sie ihr Vermögen verloren: sie hatte aber zu sich selbst gesaget: „Wenn ich auch noch so sehr weine, so wird mir das doch nicht mein Gut wieder schaffen. Man muß sich bemühen, ohne Vermögen glückselig zu seyn.“ Als sie auf ihrem Landgute angekommen waren, so beschäfftigten sich der Kaufmann und seine drey Söhne, das Feld zu bauen. Die Schöne stund des Morgens um vier Uhr auf, und eilete, das Haus rein zu machen, und die Mittagesmahlzeit für die Familie zu bereiten. Es wurde ihr Anfangs sehr sauer; denn sie war nicht gewohnet, wie eine Magd zu arbeiten. Nach Verlaufe zweener Monate aber wurde sie stärker; und die Arbeit gab ihr eine vollkommene Gesundheit. Wenn sie ihre Arbeit gethan hatte, so las sie, spielete auf dem Claviere, oder sang auch wohl beym Spinnen.

Ihre beyden Schwestern hingegen hätten vor langer Weile fast sterben mögen. Sie stunden des Morgens um zehn Uhr auf, giengen den ganzen Tag spatzieren und vertrieben sich die Zeit damit, daß sie ihre schönen Kleider und ihre Gesellschaften bedaureten, „Man sehe nur unsere jüngere Schwester, sageten sie zu einander; sie hat eine niederträchtige Seele, und

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/4&oldid=- (Version vom 2.4.2020)