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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

„Nein, mein liebes Thier, Sie sollen nicht sterben, sagete die Schöne zu ihm: Sie sollen leben und mein Ehegemahl werden; von diesem Augenblicke an gebe ich Ihnen meine Hand; und ich schwöre es, ich will nur die Ihrige seyn. Ach, ich glaubete, ich hätte bloß Freundschaft für Sie; der Schmerz aber, welchen ich empfinde, zeiget mir, daß ich nicht würde leben können, wenn ich Sie nicht sähe.“

Kaum hatte die Schöne diese Worte ausgesprochen, so sah sie das Schloß vom Lichte schimmern; die Feuerwerke, die Musik, alles kündigte ihr ein Fest an. Alle diese Schönheiten aber hielten ihre Blicke nicht auf. Sie wandte sich wieder zu ihrem geliebten Thiere, vor dessen Gefahr sie bebete. Wie groß war doch ihr Erstaunen! Das Thier war verschwunden, und sie sah nur einen Prinzen, schöner als die Liebe, zu ihren Füßen, welcher ihr dankete, daß sie seine Bezauberung geendiget hätte.

Obgleich dieser Prinz alle ihre Achtung verdienete, so konnte sie sich doch nicht enthalten, ihn zu fragen, wo das Thier wäre? „Sie sehen es hier zu Ihren Füßen, sagete der Prinz zu ihr. Eine boshafte Feye hatte mich verwünschet, so lange unter dieser Gestalt zu bleiben, bis ein schönes Frauenzimmer sichs gefallen ließe, mich zu heurathen; und sie hat mir verbothen, meinen Witz sehen zu lassen. Es ist also niemand in der Welt so gütig gewesen, und hat sich von meiner guten Gemüthsart rühren lassen, als Sie; und ich kann mich derer Verbindlichkeiten, die ich Ihnen habe, dadurch noch nicht entledigen, daß ich Ihnen meine Krone anbiethe.“

Die Schöne war auf eine angenehme Art erstaunet, und reichete diesem Prinzen die Hand, um ihn

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/22&oldid=- (Version vom 4.8.2020)