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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

gewöhnet; und sie fürchtete den Augenblick seines Besuches gar nicht mehr, sondern sah dafür oftmals nach ihrer Uhr, um zu sehen, ob es noch nicht bald Neune wäre. Denn das Thier ermangelte niemals, um diese Stunde zu kommen. Nur eine einzige Sache machete der Schönen Kummer, nämlich daß das Ungeheuer allezeit, ehe es weggieng, sie fragete, ob sie seine Frau werden wollte? und daß es ganz von Schmerz durchdrungen zu seyn schien, wenn sie Nein dazu sagete.

Eines Tages sagete sie zu dem Ungeheuer: „Sie kränken mich, Thier; ich wollte wünschen, daß ich Sie heurathen könnte: allein, ich bin viel zu aufrichtig, als daß ich Ihnen weismachen wollte, es werde noch wohl einmal geschehen. Ich werde stets Ihre gute Freundinn seyn. Seyn Sie damit immer zufrieden.“

„Man muß wohl, versetzete das Thier. Ich lasse mir Gerechtigkeit wiederfahren. Ich weis, daß ich recht abscheulich bin; ich liebe Sie aber sehr. Indessen bin ich nur gar zu glücklich dadurch, daß Sie gern hier bleiben wollen. Versprechen Sie mir, daß Sie mich niemals verlassen wollen.“

Die Schöne erröthete bey diesen Worten. Sie hatte in ihrem Spiegel gesehen, daß ihr Vater vor Bekümmerniß darüber krank war, daß er sie verloren hatte; und sie wünschete ihn wieder zu sehen. „Ich könnte es Ihnen wohl versprechen, sagete sie zu dem Thiere, daß ich Sie ganz und gar niemals verlassen wollte: allein, ich habe ein so großes Verlangen, meinen Vater wieder zu sehen, daß ich vor Schmerzen sterben würde, wenn Sie mir dieses Vergnügen abschlügen.“

„Ich will lieber selbst sterben, sagete dieses Ungeheuer, als Ihnen Bekümmerniß verursachen. Ich

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/17&oldid=- (Version vom 4.8.2020)