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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

ihr aber am meisten in die Augen fiel, war eine große Bibliothek, ein schöner Flügel und viele Notenbücher.

„Man will doch nicht, daß ich lange Weile haben soll, sagete sie ganz sachte bey sich selbst; und darauf dachte sie: Wenn ich nur einen Tag hier bleiben sollte, so würde man nicht so viel für mich angeschaffet haben.“ Dieser Gedanken ermunterte ihren Muth wieder. Sie machete den Bücherschrank auf, und sah ein Buch, worinnen mit goldenen Buchstaben geschrieben war: Wünschen Sie; befehlen Sie; Sie sind hier die Königinn und Frau. „Ach, sagete sie mit Seufzen, ich wünsche nichts weiter, als daß ich meinen armen Vater wieder sehen, und erfahren möge, was er jetzt machet.“ Sie hatte dieses bey sich selbst gesaget. Wie erstaunete sie aber, als sie ihre Augen auf einen großen Spiegel warf, und darinnen sein Haus erblickete, woselbst ihr Vater mit einem überaus traurigen Gesichte ankam. Ihre Schwestern giengen ihm entgegen, und ungeachtet der Verstellungen ihrer Gebärden, die sie macheten, damit sie betrübt scheinen möchten, sah man dennoch die Freude, die sie über den Verlust ihrer Schwester hatten, auf ihrem Gesichte erscheinen. Einen Augenblick darnach verschwand alles dieses wieder; und die Schöne konnte sich nicht enthalten, zu denken: das Thier sey sehr gefällig, und sie habe nichts von ihm zu befürchten.

Zu Mittage fand sie die Tafel gesetzet und die Mahlzeit über hörete sie ein vortreffliches Concert, wiewohl sie keine Seele sah. Den Abend, als sie sich zur Tafel setzen wollte, hörete sie das Geräusch, welches das Thier machete, und konnte sich des Zitterns und Bebens nicht enthalten. „Schöne, sagete dieses Ungeheuer

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/14&oldid=- (Version vom 4.8.2020)