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eines ziemlich jäh aufsteigenden Bergrückens, während das Plateau, das vor Jahrhunderten zur Errichtung dieses Stammschlosses eines der ältesten indischen Fürstengeschlechter erwählt worden war, sich nach Westen zu allmählich senkte und dann in die hügeligen Terrassen überging, deren letzte Ausläufer fast bis zu dem Städtchen Roxara sich erstreckten.

Noch vor einem halben Jahre hatten sich in den weiten Sälen und Gängen des Schlosses eine Unzahl von indischen Dienern getummelt, hatte hier das echte, unverfälschte Leben und Treiben geherrscht, wie dies an allen Höfen derjenigen eingeborenen Fürsten üblich ist, denen die Engländer ihre Schein-Selbständigkeit belassen haben und denen ihr märchenhafter Reichtum die Entfaltung eines wahrhaft sinnverwirrenden Prunkes gestattet. Jetzt herrschte in der Rajahburg eine fast beängstigende Stille. Der Beamtenstab und die Diener des Gouverneurs des Roxara-Bezirks, der als Nachfolger des vertriebenen jungen Fürsten hier eingezogen war, bewohnten nur den einen Flügel des Schlosses, dessen modern ausgestattete Räume sich hierzu am besten geeignet hatten. Niemand von den vielleicht insgesamt fünfzig Menschen fühlte sich jedoch in der alten Burg so recht wohl. Stallknechte, Küchenpersonal und Lakaien schworen darauf, daß es in dem Schlosse umgehe. Allnächtlich wollte man in den unbewohnten Teilen des Riesenbaus fahlen, wandernden Lichtschein und geisterhaft huschende Gestalten beobachtet haben. Der stets argwöhnische Gouverneur hatte, als ihm dies Gerede zu Ohren drang, eine Woche lang Wachen aufgestellt, – ohne jeden Erfolg. Dann ließ er die Türen der nichtbenutzten Räume verschließen und die Haupteingänge sogar mit neuen Schlössern versehen. Doch das Getuschel unter seinen Leuten verstummte nicht. Miß Folson, die Gesellschaftsdame seiner Tochter, war vielleicht die

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W. K. Abel: Die Perle der Königin. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Perle_der_K%C3%B6nigin.pdf/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)