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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

der Dunkelheit ausgesetzt zu haben, daß sie einst mit einem Schuster verheirathet gewesen, der lang mit ihr gerungen, sie aber zuletzt besiegt und fortgejagt hatte, und daß sie sich jetzt mit Hausiren ernährte, indem sie bald diese, bald jene Waare ausfindig machte, mit welcher sie, wenn sie aufgelegt war, in allen Gassen herum streichen, von Haus zu Haus schleichen und ihrem finstern Treiben obliegen konnte.

Plötzlich unterbrach sich die Hexe in ihrer Rede und verlangte nochmals die Namen Derjenigen zu sehen, die neuerdings verleumdet werden sollten, denn sie hatte über ihrem Reden unversehens Lust bekommen, wieder zu handeln und Vorsehung zu spielen.

Jukundus gab ihr den Zettel in die Hände, um zum letzten Ueberfluß noch zu sehen, wie sie im Einzelnen zu Werke ging, nachdem er sich im Allgemeinen schon überzeugt hatte, auf welcher Grundlage die große öffentliche Verfolgung aufgebaut sei.

Gleich beim ersten Namen, der einem ehrlichen Bürgersmann angehörte, rief sie: „Halt, den kenne ich doch! Wie konnte ich den übersehen? Das ist ja der saubere Herr, der mich einmal aus dem Hause gewiesen hat, als ich in seiner Küche mit den Dienstboten sprach! Der hat rasch hintereinander mehrere Erbschaften gemacht und ist reich geworden, während arme Verwandte am Hungertuch nagen! Der wird

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/523&oldid=- (Version vom 31.7.2018)