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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

beln hingeben könne. Sogleich that die Ursula ihr Tabaksdöschen weg und Agathe legte nieder, was sie eben in den Händen hatte; beide sahen sich erschrocken an, falteten unwillkürlich die Hände, und Justine sah, wie jedes für sich leise betete und die Lippen bewegte, Agathchen mit rinnenden Thränen, die Mutter aber mit der ruhigeren Fassung des Alters. Keines getraute sich, ein Wort zu sagen; sie waren ganz erschüttert von der an sie herangetretenen Forderung, eine gekehrte und glänzende Person für das Heil zu gewinnen, und doch war die himmlische Fügung nicht zu verkennen und anzuzweifeln.

Ursula fing zuerst langsam an, einige Worte zu sprechen, während Agathchen einen Schemel zu Justinen hinschob, sich zu ihren Füßen setzte und ihre Hände ergriff und streichelte. Denn Justine war längst ihre geheime Liebe und der vornehmste Gegenstand all' ihres Wohlwollens und ihrer Bewunderung gewesen.

Indessen kam die Sache in den gesuchten Gang, die Zungen lös'ten sich, und nun wetteiferten die beiden Wesen, dem Weltkinde die große Angelegenheit darzuthun und einander das Wort abzunehmen und zu ergänzen, wie zwei Kinder, welche einem dritten das so eben von der Großmutter gehörte Mährchen erzählen.

Aber es war nichts Neues und Unerhörtes, was

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/517&oldid=- (Version vom 31.7.2018)