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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

räumen sollen, aber auf Bitten der frommen Frauen dort gelassen worden war. Sie selbst wohnten in dem freundlichem Gemach. Zwar hatten sie dasselbe schon einmal mit dem dunkeln Loch vertauscht, als die böse Alte sich darüber beklagte und zankte, und diese in das helle Stübchen sitzen lassen; allein hier hatte sie wiederum nicht bleiben wollen, weil sie den Eingang nicht bewachen und nicht sehen konnte, was auf der Straße vorging. Die beiden Geduldüberinnen hatten also doch wieder nach hinten ziehen müssen und sie wohnte wiederum im Loch, wo sie unaufhörlich schalt und drohte und die Ein- und Ausgehenden belauerte, ausfragte und gegen die guten Leutchen einzunehmen versuchte. Denn sie hatten allerlei Zuspruch von Freunden und Solchen, welche eines friedlichen Wortes bedürftig waren. Sie theilten auch alle kleinen Liebesgaben, die sie etwa erhielten und mit aufrichtigem Danke annahmen, sogleich mit dem Ungethüm, das die Theilung jedoch unwirsch abmaß und grob zurückwies, wenn sie ihm nicht rasch und pünktlich genug schien.

Sie fürchteten aber das Unwesen keineswegs und lebten in dessen Nähe, wie etwa fromme Einsiedler in der Nachbarschaft eines wilden Thieres oder eines schreckhaften Dämons.

Dies Weib war nun jene Sibylle der Verläum

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/512&oldid=- (Version vom 31.7.2018)