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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

im Augenblicke des Sturmes bei dem großen Verkehre gerade bestanden.

Die Männer rechneten und sprachen miteinander bleich und still Tage und Nächte lang, und die Hausordnung schien erstarrt zu sein. Die Dienstboten arbeiteten ohne Befehl und bereiteten das Essen, aber Niemand aß oder wußte, was er aß. Die Uhren liefen ab und wurden kummervoll aufgezogen, nachdem sie Tage lang still gestanden. Die Zeit mußte dann zusammengesucht werden, wie man in der Finsterniß ein Lichtlein am andern anzündet, um sehen zu können. Einige junge Kätzchen, welche bis zum Tage des Unglücks der Zeitvertreib und das Spiel von Alt und Jung gewesen waren, wurden plötzlich gar nicht mehr gesehen und zogen sich mit ihren kleinen Sprüngen schüchtern in einen Winkel zurück, und als nach geraumer Zeit einige Seelenruhe wieder in das Haus gekommen war, wunderten sich Alle, daß die Katzen unter ihren Augen auf einmal groß geworden seien.

Als es hieß, daß, wenn die Ehre des Hauses gerettet und alle Schulden bezahlt sein werden, nicht eines Thalers Werth mehr im Besitze der Familie bleibe und sie, gänzlich verarmt, von Neuem anfangen müßten, stand die Frau Gertrud, die Stauffacherin, und schlotterte an ihrem ganzen Leibe; sie mußte niedersitzen.

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/484&oldid=- (Version vom 31.7.2018)