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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

solchen einzuleiten. Noch Mancher laufe ungebeugt und trotzig herum oder halte sich geduckt, in der Meinung, daß das Wetter an ihm vorübergehe. Allein Zeit sei es, ihn jetzt hervorzuziehen, und Zeit sei es, den Schrecken zu erneuern.

Ein solches Vorgehen wurde im Grundsatz beschlossen und sodann zur Benennung der einzelnen Opfer geschritten, welche um Glück und Ehre gebracht werden sollten. Es waren bald zwei oder drei Namen solcher Personen gekürt, welche diesem oder jenem aus der Gesellschaft irgend einmal in den Weg getreten und deßhalb von ihm gehaßt waren. Wie man aber die Art und Weise des Angriffes und die anzugreifenden Schwächen und Vergehen der Betreffenden festsetzen wollte, wußte die Versammlung sich nicht zu helfen, entweder weil die Erfindungsgabe nicht mehr lebendig genug war oder weil die natürliche Klugheit der Rathschlagenden in der späten Nachtstunde etwas Noth gelitten hatte. Nachdem manches Vergebliche und Gehaltlose vorgeschlagen und verworfen worden, rief endlich Einer: da muß das Oelweib wieder helfen, es geht nicht anders!

Jukundus, der immer aufmerksamer wurde, fragte, wer oder was das Oelweib sei? Das sei eine alte Frau, wurde ihm erklärt, die man so nenne nach der biblischen Wittwe mit dem unerschöpflichen Oelkrüglein,

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/477&oldid=- (Version vom 31.7.2018)