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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Stoffen und Schmutz hervorbringt und diesen wegwirft. Er merkte kaum, daß er mit dem verlornen Haufen schon seitwärts der Heerstraße stand, und als er es einzusehen begann, überfiel ihn neues Mitleiden mit den armen Propheten, die wiederum betrogen sein sollten. Es half nichts, daß einige klügere Seldwyler ihm zuraunten, die Verläumder und Ehrenfeinde seien bereits nicht mehr Mode, man halte sich jetzt an das rein Politische und Staatsmäßige, und er solle sich nicht bloßstellen; man brauche eben auch wieder einen Staat mit Einrichtungen und Ehrbarkeiten, wo man mit Lügnern und Schubiaken nicht kutschiren könne. Er glaubte den Armen und Verstoßenen, und nicht jenen Warnern.

Um seinen Muth offenkundig zu bewähren und zu zeigen, daß er sie beschütze, lud er eines Tages eine schöne Auswahl seiner Freunde zu einem Festmahle ein, das er ihnen in einem Gasthause gab, und bewirthete sie so reichlich, daß sie in die allerbeste Laune versetzt wurden.

Verkommene Winkeladvokaten, ungetreue und bestrafte kleine Amtsleute, betrügerische Agenten, müßiggängerische Kaufleute und Bankerotirer, verkannte Witzlinge und Sandführer verschiedener Art saßen um ihn geschaart und jubelten und sangen, als ob das tausendjährige Reich da wäre. Aber je lustiger

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/474&oldid=- (Version vom 31.7.2018)