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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

aus derselben entflohen und eine graue, heiße, trostlose Sandwüste zurückgeblieben wäre, an deren fernem verschleiertem Saume der Schatten seiner Frau einsam entschwinde. Wenn er in den Clubs und Versammlungen neben handfesten und bekannten Agitatoren allerlei aus dunkeln Löchern hervorgekrochene Gesellen sah, die langjährigen Unstern in der allgemeinen Sündflut mit schmutzigen Händen zu ersäufen suchten oder die obere Schicht wie mit Feuerhaken zu sich herunterzureißen bestrebt waren, so sah er wohl, daß es keine Oberkirchenräthe waren, die ihm die Hand drückten. Aber er empfand jetzt eher ein tiefes Mitleid mit solchen Heiligen, die er als die Opfer einer Welt betrachtete, von der er auch ein Lied singen zu können glaubte. Wie die heilige Elisabeth eine Vorliebe für unreinliche Kranke und Elende bezeigte und sich sogar in das Bett eines Aussätzigen legte, so hegte auch Jukundus eine wahre Zärtlichkeit für seine Räudigen und ging täglich mit Leuten, die er früher, wie man zu sagen pflegt, nicht mit einem Stecklein hätte anrühren mögen.

Er that dies, während die Volksbewegung schon über den Anfangsstrudel hinaus war und das Volk, auf seine Ziele zusteuernd, jene Schattengestalten laufen ließ und seine neuen Rechte feststellte, wie man glänzende Farben und Wohlgerüche aus dunklen

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/473&oldid=- (Version vom 31.7.2018)