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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Auferstehung des Fleisches meine ich, sondern die Auferstehung des Geistes, die ewigen Ostern des Herzens! Es geht ihm auch darnach! Kein Segen begleitet ihn, sein Gemüth verbittert sich und grollt mit uns, die wir uns unserer Errungenschaften und des Werkes unseres Herrn Jesu Christi erfreuen und das Osterlamm genießen jetzt und alle Tage. Wenn dann Strom und Bäche vom Eise befreit sind und selig und jubelvoll „bis zum Sinken überladen entfernt sich unser letzter Kahn", dann wird er traurig am Ufer stehen und uns trotzig nachschauen, ein Selbstausgeschlossener und Selbstverurtheilter! denn wir verurtheilen Niemanden und verdammen Keinen. Nein, wir lassen Jedem seine Freiheit, eingedenk des allerdings furchtbar doppelsinnigen Wortes: „Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittert nicht!"

Du aber laß ihn nicht entrinnen aus den diamantenen Ketten Deiner ewigen Sittengesetze, die Du gegründet hast, o allliebender Schöpfer und Herr, Urheber der Grundfesten des Landes und der gürtenden Fluth des Meeres, o du Spanner des ewigen Himmelszeltes! Führe ihn zurück in Dein schützendes Heiligthum, das wir Dir errichtet nach Deinem Gebote, das Du uns verkündet durch den Mund Mose:

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/452&oldid=- (Version vom 31.7.2018)