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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Wie sie da drüben Landammänner haben!" Sie deutete hiebei durch das offene Fenster nach dem Gebirge hinüber, wo in den alten Landrepubliken die obersten Amtleute so genannt wurden.

Sie lachte immer mehr darüber; denn da sie in ihrem hohen Alter allezeit an Gott und die Ewigkeit zu denken liebte, so war ihr auch das unschuldige Spiel mit dem Namen Gottes willkommen, um ihn zur Hand zu haben.

Wie beide nun in ihrem nicht gerade schulgerechten Religionsgespräche sich vergnügten und lachten, schaute Justine durch die Nelkenstöcke herein, die vor dem Fenster standen, und ihr Gesicht glühte trotz den Nelken, da sie den Berg erstiegen hatte, um ihren Mann herunter zu holen. Ihr schönes Gesicht überglühte aber fast noch die rothen Nelken, als die Großmutter lustig rief: „Komm schnell herein, Kind! Eine Neuigkeit! Dein Mann hier hat ein bischen ganz ordentliche Gottesfurcht, er hat es so eben mir selber gestanden!"

Es ergriff sie augenblicklich eine seltsame Eifersucht, daß die Großmutter mehr von den Gedanken Jukundi's wissen sollte, als sie, seine Frau, und sie sagte: Wahrscheinlich thut er mir darum kein einziges Mal die Ehre an, mit mir zur Kirche zu gehen!

„Sei still!" sagte Jukundus „zanke nicht! Wir

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/434&oldid=- (Version vom 31.7.2018)