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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

daß sie das Uebel von Seldwyla gar wohl kenne. Allein es komme alles auf die Umstände an. Auch sie habe von Außen her sich da angeheirathet und sei eine gute Partie geheißen worden, und es sei, abgesehen von dem frühen Hinscheiden des seligen Mannes, nicht übel gegangen, so daß, wie sie glaube, der Sohn, Gott sei Dank, gut gerathen und für ein gutes und ehrbares Leben empfänglich sei, was Frau Glor auch glaubte.

Hiemit war die maßgebende Geheimverhandlung durchgeführt und was mächtige Naturstimmen wünschten, im Lauf. Die beim übrigen Theil der Schwanauer Familie noch harrenden Schwierigkeiten wurden still und anständig überwunden und in wenig Monaten Jukundus und Justine als Verlobte ausgerufen.

Es erschien das allgemein als ein so hübsches und gerechtes Ereigniß, daß keine Mißrede zu vernehmen war. Die Verlobten erhielten nicht einen einzigen anonymen Schmäh- oder Warnungsbrief, wie das sonst so zu geschehen pflegt, wenn ein großer Neid erregt wird. Der klarste Morgenhimmel lachte über ihrem Brautstande und die Hochzeit selbst ward zu einem sonnigen und klangvollen Feste mit Fahnen und Gesängen, welches das theilnehmende Volk wie ein altes schönes Lied anmuthete.


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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/411&oldid=- (Version vom 31.7.2018)