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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Seldwyler, am Orte angekommen, sich zum Einzuge unter die langen Sängerschaaren reihten, erregte seine Erscheinung, wo sie durchzogen, überall großes Wohlgefallen.

Denjenigen, welche schon mehrere Feste gesehen hatten, war er auch schon auf das Vortheilhafteste bekannt als eine mustergültige Festerscheinung. Von steter Fröhlichkeit und Ausdauer vom ersten bis zum letzten Augenblicke, war Jukundi dennoch die Ruhe und Gelassenheit selbst; immer sah man ihn theilnehmend an jeder allgemeinen Freude und an jeder besondern Ausführung, ausharrend und hülfreich, nie überlaut oder gar betrunken. Den schreienden Possenmacher wußte er zu ertragen, wie den übellaunischen Festgast, der sich übernommen und die Freude verdorben hatte, und beide verstand er voll Duldung und Freundlichkeit aus allerlei Fährlichkeiten zu erlösen, wenn die allgemeine Geduld zu brechen drohte, und sie aus beschämendem Schiffbruche zu erretten. Selbst den bewußtlosen Jähzornigen führte er, alle Schmähungen überhörend, mit stillem Geschicke aus dem Gedränge und erwarb sich Dank und Anhänglichkeit des Nüchterngewordenen.

In dieser Uebung konnte er übrigens nur als eine Darstellung aller Seldwyler gelten, wenn sie zu Feste zogen. So ungeregelt und müßig sie sonst

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/384&oldid=- (Version vom 31.7.2018)