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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

den sie verlegen und sinnend zurückkam; denn dort wo es Küngolt hastig und achtlos hingeworfen, hatte es bereits das vom Mönche zur Seite gestellte Mägdlein aufgehoben, das sich grollend in's Haus zurückgezogen.

Doch Violande besann sich nicht lange. Sie machte den Trank um so süßer und stärker und gesellte sich, als er ihn trank, nahe zum Forstmeister. Es strömte ein zärtlich-trautes Wesen von ihr aus; auch trug sie ein blaßgelbes Kleid, das überall roth eingefaßt war und ihr untadelig weißes Fell, wie man damals sagte, am Halse wohl sehen ließ. Die Blumen hatte sie aus dem Haar gethan, um nicht kindisch zu erscheinen, und sie wand ihre starken dunkeln Zöpfe frisch um den Kopf.

„Ei Base," sagte der Forstmeister, als er sie über den Becher weg von ungefähr erblickt hatte, ganz nah bei ihm, „wie seht Ihr gut aus!"

Da lächelte sie wie selig und sah ihn mit süß funkelnden Augen unverholen an, indem sie sagte: „Gefall' ich Euch endlich und so spät? Wenn Ihr wüßtet, wie gern ich Euch schon gesehen habe, als ich noch ein Kind war!"

Das ging dem guten Mann ein, stärker als ein Liebestrank von Froschbeinchen; wunderliche Vorstellungen, eine dunkle Erinnerung an ein schönes Mädchenkind

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/342&oldid=- (Version vom 31.7.2018)