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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Nachfolger im Hause bleiben und dieser, bei seiner Anhänglichkeit an seine todte Frau, dann nicht mehr heirathen würde, was dagegen leichter geschehen dürfte, wenn beide Kinder fort kämen und er sich in seinem Hause vereinsamt sähe.

Wie nun Küngolt mit jedem Tage zusehends sich entwickelte und schöner wurde, weckte sie in ihr das frühzeitige Bewußtsein dieser Schönheit und den Geist einer wenn auch noch kindischen Buhlsucht, indem sie, ohne daß es Jemand merkte, das Mädchen mit wenigen Worten zu allen jungen Leuten in ein befangenes Verhältniß zu bringen wußte, so daß das Kind Jeden drum ansehen lernte, ob er seine Schönheit auch fühle und anerkenne, und hinwieder Jeder vermeinte, er sei dem jungen hübschen Mädchen besonders in's Auge gefallen.

Dann zog Violande noch andere junge Frauenzimmer herbei, daß da öfter gute Compagnie beisammen war und unter ihrer Führung immer gelinde courtoisirt wurde.

So kam es, daß Küngolt, noch ehe sie völlig sechszehn Jahre zählte, schon einen Kreis unruhiger Gemüther um sich versammelt sah.

Es gab allerlei kleine und größere Festlichkeiten, Geschichtchen, Streitigkeiten, Geräusch und Gesang, und wie es zu gehen pflegt, machten sich vorwitzige

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/332&oldid=- (Version vom 31.7.2018)