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Gottfried Keller: Kleider machen Leute. In: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage, Band 3

junger Bursch dem Gutsherrn zuweilen Dienste geleistet, seine Militärzeit bei den Husaren abgedient hatte und demnach genugsam mit Pferden umzugehen verstand. Wie daher sein Gefährte höflich fragte, ob er vielleicht fahren möge, ergriff er sofort Zügel und Peitsche und fuhr in schulgerechter Haltung in raschem Trabe durch das Thor und auf der Landstraße dahin, so daß die Herren einander ansahen und flüsterten: Es ist richtig, es ist jedenfalls ein Herr!

In einer halben Stunde war das Gut des Amtsrathes erreicht, Strapinski fuhr in einem prächtigen Halbbogen auf und ließ die feurigen Pferde auf’s beste anprallen; man sprang von den Wagen, der Amtsrath kam herbei und führte die Gesellschaft in’s Haus, und alsobald war auch der Tisch mit einem halben Dutzend Caraffen voll karneolfarbigen Sausers besetzt. Das heiße, gährende Getränk wurde vorerst geprüft, belobt, und sodann fröhlich in Angriff genommen, während der Hausherr im Hause die Kunde herum trug, es sei ein vornehmer Graf da, ein Polacke, und eine feinere Bewirthung vorbereitete.

Mittlerweile theilte sich die Gesellschaft in zwei Partieen, um das versäumte Spiel nachzuholen, da in diesem Lande keine Männer zusammen sein konnten, ohne zu spielen, wahrscheinlich aus angeborenem

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Gottfried Keller: Kleider machen Leute. In: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage, Band 3. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)