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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Die gute Forstmeisterin aber erkältete sich in der kühlen Mainacht und trug eine tödtliche Krankheit davon, welcher sie in wenigen Monaten erlag. Auf dem Todbette war sie sehr bekümmert um ihren Mann und um das Kind; auch suchte sie hartnäckig die Ursache der Krankheit zu läugnen; denn sie fühlte wohl, daß das nicht die rechte Todesart für eine Hausmutter sei, die von Unvorsichtigkeit in der Freude herrührt.

Weil sie nun todt im Hause lag, waren Alle sehr traurig und die ganze Stadt bedauerte sie, da sie keinen einzigen Feind hatte. Der Forstmeister selbst weinte des Nachts in seinem Bette; des Tages sprach er kein Wort und ging nur ab und zu vor den Sarg und besah sich die stille Leiche, worauf er kopfschüttelnd wieder wegging.

Er ließ einen schweren Kranz von jungem Tannengrün binden und legte ihn auf den Sarg; Küngolt häufte noch ein Gebirge von Waldblumen darauf, und dergestalt wurde die Leiche von der Höhe hinunter zur Kirche getragen, gefolgt von den Verwandten und Freunden und den Jägerknechten.

Als sie in der kühlen Erde lag, führte der Forstmeister das Leichenbegleit in die Herberge, wo er ein

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/326&oldid=- (Version vom 31.7.2018)