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Gottfried Keller: Kleider machen Leute. In: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage, Band 3

Wär’ er ein gemeiner Kerl, so hätte er sich an den Braten gehalten!

Ich sag’s auch, meinte der Wirth: es sieht sich zwar nicht ganz elegant an; aber so hab’ ich, als ich zu meiner Ausbildung reis’te, nur Generäle und Capitelsherren essen sehen!

Unterdessen hatte der Kutscher die Pferde füttern lassen und selbst ein handfestes Essen eingenommen in der Stube für das untere Volk, und da er Eile hatte, ließ er bald wieder anspannen. Die Angehörigen des Gasthofes zur Waage konnten sich nun nicht länger enthalten und fragten, eh’ es zu spät wurde, den herrschaftlichen Kutscher geradezu, wer sein Herr da oben sei, und wie er heiße? Der Kutscher, ein schalkhafter und durchtriebener Kerl, versetzte: Hat er es noch nicht selbst gesagt?

Nein, hieß es, und er erwiederte: Das glaub’ ich wohl, der spricht nicht viel in einem Tage; nun, es ist der Graf Strapinski! Er wird aber heut’ und vielleicht einige Tage hier bleiben, denn er hat mir befohlen mit dem Wagen vorauszufahren.

Er machte diesen schlechten Spaß, um sich an dem Schneiderlein zu rächen, das, wie er glaubte, statt ihm für seine Gefälligkeit ein Wort des Dankes und des Abschiedes zu sagen, sich ohne Umsehen in das Haus begeben hatte und den Herren spielte. Seine

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Gottfried Keller: Kleider machen Leute. In: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage, Band 3. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)