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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

von seiner Absetzung. Wilhelm sagte, daß er bei Landleuten sein Auskommen suchen wolle, indem er ihnen in Allem an die Hand gehe, was zu thun sei; da er nicht viel bedürfe, so hoffe er, sich im Stillen durchzubringen. Der Tuchscherer wunderte sich hierüber und drang weiter in ihn, bis er die Ursache von des Schulmeisterleins Auszug erfahren. „Das ist“, sagte er, „ein recht hämischer Streich von dem Pfaffen, der eine Kinderei nicht von einer Schlechtigkeit unterscheiden kann. Wir wollen ihm übrigens sein ewiges Gehätschel und Getätschel mit seinen Unterweisungsschülerinnen auch einmal abschaffen; die Hübschen und Feinen hält er sich allfort dicht in der Nähe, die Buckligen aber, die Einäugigen und die Armseligen setzt er in den Hintergrund und spricht kaum mit ihnen, und das ist ärgerlicher als Eure ganze Briefschreiberei. Wenn diese Stilübungen ihm übel angebracht schienen, so ist uns sein Schönheitssinn noch weniger am rechten Ort! Aber verstehen Sie denn etwas von der Feldarbeit und den ländlichen Dingen überhaupt?«

„O ja, ziemlich!“ antwortete Wilhelm, „ich habe während der Krankheit meiner verstorbenen Eltern Alles gemacht und bin erst im achtzehnten Jahre, als sie gestorben und unser Gut verkauft wurde, mit dem kleinen Vermögensreste ins Lehrerseminar

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/223&oldid=- (Version vom 31.7.2018)