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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Weltfahrer, da er überhaupt gewohnt war, nach der Art mancher Leute, seine Geschäftsreisen als Ausnahmezustand zu betrachten und sich von aller häuslichen Ordnung zu erholen. Jeden Abend führte er eine andere Schöne ins Theater oder auf die öffentlichen Bälle, wobei er die Sucht hatte, sich von Jeder die Geschichte ihres Schicksals erzählen und tüchtig anlügen zu lassen. Gegen das Ende wurde er dann regelmäßig gefühlvoll, fand alles höchst bedeutsam, fing an zu notieren und wurde hinter dem Rücken verspottet, während man seinen Champagner trank. Zuletzt jedoch begab er sich auf den Heimweg, nachdem er noch Gelegenheit gefunden, einen guten Handel in Strohwaren abzuschließen.

Auf der letzten Station stieg er aus; da es ein schöner Herbsttag war, wollte er zu Fuß Seldwyla erreichen, das Notizbüchlein in der Hand, um eine „Wanderers Heimkehr“ zu studieren und in der goldenen Abendluft einen recht famosen Titel für den Briefwechsel auszudenken. Er war zufrieden mit sich, mit der Welt, mit seiner Frau, mit dem Himmel und trug ein höchst wunderbares Hütchen auf dem Kopf, halb von Stroh, halb von Seide, dessen Band ihm auf den Rücken fiel. „Im Grunde,“ sagte er, „braucht es da keinen besonders künstlichen Titel! Das Einfachste wird das Beste sein, etwa

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)