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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Als er wirklich reisefertig in der Stube stand, überraschte ihn Gritli mit einem allerliebsten Handköfferchen aus buntem Korbgeflecht, in welchem ein gebratenes Huhn, einige Brötchen, zwei Kristallfläschchen mit altem Wein und Liqueur, ein silbernes Becherchen, ein Besteck und zwei kleine Servietten auf das Bequemste und Appetitlichste zusammengepackt waren. Das hatte sie alles nach ihrer Angabe herrichten lassen, weil er sich schon oft über den Hunger und Durst beklagt, welchen man auf den endlosen Eisenbahnen erleiden müsse. Er nahm es, von seinen Ideen eingenommen, zerstreut entgegen, sagte aber beim Abschiede noch kalt und streng: „Wende Deine Gedanken nun von dergleichen materiellen Dingen ab und sinne an das,[386] was ich dir gesagt! Bedenke, daß von dieser letzten Probe der Frieden und das Glück unserer Zukunft abhangen!“

Hiemit entfernte er sich und öffnete, eh’ noch zwei Stunden vergangen waren, das Körbchen, eine leckere Mahlzeit zu halten und die Reisegefährten zu reizen. Das Huhn war vortrefflich zerschnitten und kunstreich wieder zusammengefügt, die Brötchen besonders wohlgebacken; nur war er unschlüssig, ob er von dem alten Sherry oder von dem feinen Kirschbranntwein trinken solle; nahm aber zuletzt von Beidem. So lebte er lecker und fröhlich und zündete

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)