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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

in seinem interessanten Buche erzählt folgenden Zug von dem oder von jenem, und ich wurde dadurch so aufgeblasen und keck, daß ich auf der betretenen Bahn ohne weitern Aufenthalt fortrannte wie eine abgeschossene Kanonenkugel.“

„Aber zum Teufel!“ sagte jetzt der Alte, „was hattet Ihr denn nur für Schreibestoff? Ihr konntet doch nicht immer von Eurem Pack alter Zeitungen zehren?“

„Nein! Ich hatte eben keinen Stoff als so zu sagen das Schreiben selbst. Indem ich Tinte in die Feder nahm, schrieb ich über diese Tinte. Ich schrieb, kaum daß ich mich zum Schriftsteller ernannt sah, über die Würde, die Pflichten, Rechte und Bedürfnisse des Schriftstellerstandes, über die Nothwendigkeit seines Zusammenhaltens gegenüber den andern Ständen, ich schrieb über das Wort Schriftsteller selbst, unwissend, daß es ein echt deutsches und altes Wort ist, und trug auf dessen Abschaffung an, indem ich andere, wie ich meinte, viel geistreichere und richtigere Benennungen ausheckte und zur Erwägung vorschlug, wie z.B. Schriftner, Tinterich, Schriftmann, Buchner, Federkünstler, Buchmeister u. f. f. Auch drang ich auf Vereinigung aller Schreibenden, um die Gewährleistung eines schönen und sichern Auskommens für jeden Theilnehmer zu erzielen, kurz, ich regte mit

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/157&oldid=- (Version vom 31.7.2018)