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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

kam, „singt der Vogel nicht schön? Was sagst Du dazu, mein Bursche?“

„Welcher Vogel?“ fragte John.

„Ei, Herr Jesus! Du weißt am Ende noch gar Nichts?“ rief der Alte; „ein Sohn ist uns allendlich geboren, ein Stammhalter, so munter wie ein Ferkel, liegt uns in der Wiege! Alle meine Wünsche, meine alten Pläne sind erfüllt!“

Der Schmied seines Glückes stand wie eine Bildsäule, ohne jedoch die Folgen des Ereignisses schon zu übersehen, so einfach sie auch sein mochten; er fühlte nur, daß es ihm höchst widerstrebend zu Muthe war, machte ganz runde Augen und spitzte den Mund, wie wenn er einen Igel küssen müßte.

„Nun“, fuhr der vergnügte Alte fort, „sei nur nicht zu verdrießlich! Etwas verändert wird allerdings unser Verhältniß, habe auch bereits das Testament umgestoßen und verbrannt, sowie jenen lustigen Roman, dessen wir nun nicht mehr bedürfen! Du aber bleibst im Hause, Du sollst bei der Erziehung meines Sohnes die Oberleitung übernehmen, Du sollst mein Rath sein und mein Helfer in allen Dingen und es soll dir nichts abgehen, so lang ich lebe. Nun ruh’ dich aus, ich muß dem kleinen Kreuzkerl einen rechten Namen zusammensuchen! Schon drei Mal hab’ ich den Kalender durchgesehen, will jetzt

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/138&oldid=- (Version vom 31.7.2018)