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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

wichtige Partie so lange aus den Augen setzen! Gut ist gut, aber besser ist besser!

Der Alte war eben fort, um im Stillen an der Ausmittelung einer zweckmäßigen Gattin für seinen Stammhalter thätig zu sein, wovon er selbst diesem nichts verrieth. John beschloß unverweilt, sich zu der Dame zu begehen mit der unbestimmten Vorstellung, ihr auf irgend eine Weise den Hof zu machen, und sich bei ihr einzuschmeicheln, um das Versäumte nachzuholen. Er säuselte ehrbarlich die Treppe hinunter bis zu dem Gemach, wo sie sich aufzuhalten pflegte, und fand wie gewöhnlich die Thüre halb offen stehen; denn sie wer bei aller Trägheit neugierig und liebte, immer gleich zu hören, was vorging.

Er trat vorsichtig hinein und sah sie wieder schlummernd daliegen, ein halb aufgegessenes Himbeertörtchen in der Hand. Ohne recht zu wissen, was eigentlich beginnen, ging er endlich auf den Zehen hin, ergriff ihre runde Hand und küßte sie ehrerbietig. Sie regte sich nicht im mindesten; doch öffnete sie die Augen zur Hälfte und sah ihn, ohne den Mund zu verziehen, mit einem höchst seltsamen Blick an, so lang er dastand. Verblüfft und stotternd zog er sich endlich zurück und lief in sein Zimmer. Dort setzte er sich in eine Ecke, jenen Blick aus schmaler Augenzwinkerung immer vor sich. Er eilte

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)