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und England unter Patentschutz gestelltes, für Deutschland aber ihm unentgeltlich zur freien Benutzung überlassenes Verfahren zu verwerten. Nach demselben erhielten schon gefärbte wollene Gewebe durch maschinellen Betrieb Längsstreifen, welche sich von der Mitte nach außen zu abtönten, wonach man solche Waren Ombrés nannte. Diese kamen sehr rasch in Aufnahme und brachten dem jungen Geschäft reichlichen Gewinn.

Im Jahre 1847 erwarb Herr Georg Schleber ein früher zur Baumwollspinnerei benutztes Grundstück in Reichenbach i. V., wohin er seinen Wirkungskreis verlegte. In der hierselbst eingerichteten Färberei wurde zunächst das mitgebrachte Verfahren fortgepflegt, welches der Firma weitere gute Erfolge eintrug und für die Reichenbacher Industrie zugleich bahnbrechend wurde.

Der Thätigkeit des Herrn Georg Schleber war zwar durch seinen schon Anfang der fünfziger Jahre erfolgten frühen Tod rasch ein Ziel gesetzt, doch an dem, was er ins Leben gerufen, bauten auf solidem Fundament die Nachfolger rastlos weiter. Unter Beachtung der Zeichen der Zeit wirkten sie in unermüdlichem Fleiß und mit Ausdauer darauf hin, dem Betriebe immer neuere Vollkommenheiten, dem Geschäft wachsende Ausdehnung zu schaffen.

Der anfängliche Betrieb mit einer nur kleinen Zahl Arbeiter erstreckte sich darauf, die in der Stadt und Nähe von Reichenbach erzeugten Wollengewebe zu färben und zugleich zu appretieren, zu welch’ letzterer Vornahme die Firma von vornherein die Berechtigung hatte, während unter dem zu jener Zeit noch herrschenden Zunftzwange diese beiden Manipulationen streng getrennt waren. Auf diesen Vorzug einheitlicher und darum rascherer Fertigstellung der zu behandelnden rohen Waren, der wie gesagt schon damals der Firma Schleber eigen war, aufmerksam geworden, begannen gar bald die in der Nachbarstadt Greiz vereinzelt bestehenden Webereien, welche sonst ausschließlich auf Gera angewiesen waren, ihre Waren lieber in Reichenbach veredeln zu lassen.

Es entstand dadurch ein regelmäßiger Botenfuhrverkehr zwischen den Webereien und Schlebers Färberei, der nachmals seine Verwandlung und Erweiterung gefunden hat durch die heute noch nach Greiz wie nach anderen Nachbarstädten allwerktäglich mit Warentransporten verkehrenden, jetzt über zehn Gespanne umfassenden eigenen Geschirre der Firma Georg Schleber. Deren guter Ruf drang rasch in die Ferne, so daß zunächst auch die außerhalb des eigentlichen Distrikts verstreut liegenden Wollwebereien Sachsens ihre Artikel vorzugsweise, ja teils ausschließlich dem Hause Schleber zur Behandlung überwiesen, denen nach und nach aus allen Teilen Deutschlands andere gefolgt sind.

In der Periode der Vervollkommnung deutscher Stückfärbereien entbehrte das Nachbarland Böhmen größerer und vor allem leistungsfähiger eigener Färbereibetriebe für seine emporstrebenden Wollenwebereien, was dem Schleber’schen Geschäft insofern mit zu gute kam, als es dahin einen langjährigen bedeutenden Veredelungsverkehr pflegen konnte, bis gegen Mitte des Jahres 1883 vom österreichischen Staate die zollfreie Wiedereinfuhr der mit Ursprungszeugnis zum Veredeln ins Ausland gegangenen Waren aufgehoben wurde, womit dieser Verkehr völlig erlosch.

Allein dieser Ausfall vermochte eine wesentliche Schwankung für das Etablissement Schleber nicht hervorzurufen, denn mit dem ihr eigenen Scharfblick hatte dessen seit ca. 25 Jahren heute noch in denselben Händen liegende Leitung längst dafür gesorgt, anderweite namhafte Verbindungen anzuknüpfen und zu pflegen.

Im nahen Greiz entfaltete sich die daselbst erst in kleinsten Anfängen betriebene Kammgarn-Industrie, die Ende der fünfziger Jahre unter der großen amerikanischen Krisis zwar stark mitgelitten, sich aber in verhältnismäßig wenig Jahren wieder erholt hatte, darnach in ungeahnter Weise; aus kleinen Webereien entstanden allmälig große Fabrikanwesen, da die Kammgarn-Artikel allgemeine Beliebtheit und bald einen Weltruf erlangten.

Engverbunden mit jenen Erfolgen kamen hierbei nicht minder die bewährten Methoden der Schleber’schen Färberei und Appretur wie auch deren Leistungsfähigkeit zur Geltung.

Nur einmal und zwar Ende der sechziger Jahre trat eine längere merkliche Stockung in den treuen Beziehungen seitens der Greizer Fabriken (Webereien) zu Schleber ein, weil eine dortige Konkurrenzanstalt anfing, derart mit Schleuderpreisen zu manöverieren, daß mancher Fabrikant zu dieser übertrat. Doch die Folgen dieser Unterpreise konnten für den Greizer Unternehmer selbst nicht lange ausbleiben, sie zeigten sich in der Zerrüttung seines Geschäfts. Dasselbe erwarb die Firma Georg Schleber zur Errichtung eines Zweiggeschäfts in Greiz im Jahre 1871. Dieses, nach den Traditionen des Stammhauses eingerichtet und geleitet, gleich

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Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/364&oldid=- (Version vom 23.2.2020)