Seite:Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild Teil 1.pdf/251

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Gebrüder Lenk in Rodewisch i. Vogtl.
Streichgarn-Spinnerei.

Der stattliche Gebäude-Komplex, welcher die Fabrik-Etablissements der Firma Gebrüder Lenk in Rodewisch i. Vogtl. vereinigt, ist ein stolzes Wahrzeichen von den Erfolgen, welche der Schaffensdrang des menschlichen Geistes zu erringen vermag.

Mit geringen Mitteln und unter den bescheidensten Verhältnissen wurde Anfang der 1840er Jahre von den Brüdern C. Gottlieb und Franz Ludwig Lenk die Firma Gebrüder Lenk in Lengenfeld i. Vogtl. gegründet und betrieben daselbst Tuchfabrikation, Wollkämmerei und Wollhandel. Die Firma wurde 1854 nach Rodewisch verlegt, da die Handwollkämmerei mit der Maschinenkämmerei nicht mehr zu konkurrieren vermochte und in Folge dessen wurde zur Streichgarn-Spinnerei übergegangen. Gar bald gelang es den vorzüglichen Fabrikaten ein weites Absatzgebiet zu gewinnen und die Fabrik befand sich nach wenigen Jahren bereit im besten Aufschwunge. Die heutige hohe Blüte der Firma verdankt dieselbe aber besonders ihrem jetzigen Besitzer, Herrn Otto Lenk, der durch rastlosen Eifer und durch die Fabrikation nur vorzüglicher Qualitäten in kurzer Zeit ein Absatzgebiet sich erschloß, welches eine anhaltend gesteigerte Leistungsfähigkeit bedingte und zur Vergrößerung des Etablissements durch Erbauung zweier neuer Fabrikgebäude im Jahre 1881 und 1888 Veranlassung gab.

Die Begründer der Fabrik führten das Geschäft gemeinsam bis zum Jahre 1858, in welchem einer der Gebrüder, Herr C. Gottlieb Lenk, der Onkel des jetzigen Inhabers, aus der Firma ausschied. Der andere Bruder, der Vater des jetzigen Besitzers, Herr Franz Ludwig Lenk, leitete die Fabrik bis zu seinem im Jahre 1873 erfolgten Ableben. Nunmehr übernahm der jetzige Inhaber der Firma, Herr Otto Lenk, die Leitung des Etablissements und zwar mit dem schon geschilderten außerordentlich günstigen Erfolge. Noch heute ist Herr Otto Lenk rastlos bemüht, seinen Fabrikaten einen vermehrten Absatz zu verschaffen.

Wie schon erwähnt, fabriziert die Firma Streichgarne, zu deren Herstellung nur reine Wolle, als Rohmaterial zur Verwendung gelangt.

In den Etablissements der Firma werden gegenwärtig 200 Arbeiter beschäftigt. 12000 Spindeln sind in Thätigkeit, welche durch zwei Dampfmaschinen von 60 und 150 Pferdekräften bei 300 □mtr. Heizfläche und durch eine Wasserkraft von ca. 30 Pferdekräften in Betrieb gesegzt. werden.

Das Absatzgebiet erstreckt sich auf Deutschland, Oesterreich, Rußland, Frankreich und Amerika. Zu erwähnen wollen wir nicht unterlassen, daß im Jahre 1869 die alte Fabrik ein Raub der Flammen geworden war.

Sämtliche Fabrikräume sind den modernsten Anforderungen entsprechend in Bezug auf Schaffung geräumiger, gut ventilierter Arbeitssäle erbaut, sowie auch alle zweckdienlichen Vorrichtungen zur Verhütung von Unfällen vorhanden sind.

Für die Beamten und Arbeiter ist bei Erkrankungsfällen durch die schon seit 30 Jahren bestehende Fabrik-Krankenkasse vorgesorgt.

Ausstellungen hat die Firma niemals beschikt.

Schließlich möchten wir nicht unterlassen, eines Verdienstes zu erwähnen, welches der jetzige Inhaber der Firma, Herr Otto Lenk, sich auf einem anderen Gebiete erworben hat. Derselbe hat nämlich eine große Obstplantage (dieselbe ist auf unserem Bilde zu sehen) angelegt, um den Beweis zu erbringen, daß auch im sächsischen Vogtlande die Obstkultur nutzbringend ist, was früher vielfach bestritten wurde. Diese Anlage wurde von dem Herrn Amtshauptmann v. Polenz aus Auerbach in Begleitung zahlreicher Mitglieder des Obstbau-Vereins für das Königreich Sachsen besucht und ist Herr Otto Lenk für seine ersprießliche Thätigkeit auf diesem Gebiete mit einem Diplom ausgezeichnet worden.

Aus dieser biographischen Darstellung erkennt man, daß der Entwickelungsgang der Firma Gebrüder Lenk in Rodewisch i. Vogtl. außerordentliche Erfolge aufzuweisen hat und daß dieselbe mit vollem Recht als eine Zierde der sächsischen Großindustrie genannt werden darf!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/251&oldid=- (Version vom 23.2.2020)