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vielfach von den Kommunen selbst ausgeübt wurde. In einzelnen Gegenden Deutschlands hat sich das Brauprivilegium bis in die neueste Zeit erhalten. Über die Qualität der alten Biere ist zu berichten, daß dieselben durchschnittlich, natürlich unter Berücksichtigung der, der Bierbrauerei damals zu Gebote stehenden Hilfsmittel ganz vorzüglich war. Dies war schon eine Folge des sich entwickelnden Concurrenzneides; jede Kommune suchte die andere in der Güte des Bieres zu überbieten. So kam es, daß einige Biere sich eines ausgedehnten Rufes in ganz Deutschland erfreuten z. B. „die Braunschweiger Mumme“ etc. und daher ein großes Absatzgebiet hatten. Auch in Sachsen wurden im Mittelalter mehrere sehr beliebte vorzügliche Biersorten gebraut. Wir nennen u. A. das Leipziger „Rastrum“ und die Bautzner „Klotzmilch“, welche weit und breit bekannt waren.

Einen bedeutenden Einfluß auf die Bierproduktion mußte selbstverständlich die Einführung des Dampfbetriebes ausüben. Nicht nur gestattete die Erfindung der Dampfmaschinen und der Hilfsmaschinen eine bedeutend gesteigerte Produktion, auch die Vervollkommnung und Vermehrung der Verkehrsmittel wirkte auf eine rapide Entwickelung des Exports. Die nächste Folge war die Entstehung größerer Brauetablissements. Die kleinen Brauereien, welche nicht die Mittel besaßen, sich die Vorteile des Dampfbetriebes zu eigen zu machen, fingen an unter der Concurrenz der großen Brauereien Not zu leiden und mußten endlich ihr Bemühen, sich zu erhalten, aufgeben. Auf diese Weise sind viele kleine Privat- und Kommunal-Brauereien eingegangen. Heute giebt es fast nur noch Bierbrauereien mit Dampfbetrieb und zwar meist von größerem Umfange. Nur die Brauereien einfacher Biere existieren zum Teil noch im alten Stile fort. Die Lager- und Bairisch-Bierbrauereien dagegen entbehren der Hilfe der Dampfkraft nicht mehr und haben häufig einen so ausgedehnten Betrieb, daß sie Hunderte von Arbeitern beschäftigen. –

Eine der größten Lager- und Bairisch-Bierbrauereien Deutschlands ist die Leipziger Bierbrauerei Riebeck & Comp., Aktien-Gesellschaft in Leipzig-Reudnitz, welche im Jahre 1862 vom Brauereibesitzer Schröter gebaut und im Jahre 1871 von dem durch seine industriellen Bestrebungen rühmlichst bekannt gewordenen Commerzienrat Adolf Riebeck in Halle a./S. als kleine Brauerei mit einem Umsatz von 20 000 Hectoliter in eine Commandit-Gesellschaft Leipziger Bierbrauerei zu Reudnitz, Riebeck & Comp. , umgewandelt wurde, um im Jahre 1887 auf eine Aktien-Gesellschaft unter gleicher Firma überzugehen.

Der gegenwärtige Director, Herr Braumeister Fr. Reinhardt, übernahm die Leitung der Brauerei im Januar 1879 mit einem Jahresumsatz von ca. 80 000 Hectol., während in letzter Campagne 1887/88 sich der Umsatz auf ca. 170 000 Hectol. erhöht hat.

Gegenwärtig sind zum Betriebe des gesamten Etablissements 15 Dampfmaschinen sowie 8 Dampfkessel mit ca. 750 □mtr. Heizfläche in Thätigkeit.

Es würde jedenfalls zu weit führen, an dieser Stelle eine erschöpfende Beschreibung der Bierfabrikation, wie dieselbe sich in genanntem Etablissement vollzieht, zu geben, weshalb wir uns darauf beschränken, nur das Allerwichtigste – um eine klare Vorstellung von dem Umfange, der Einrichtung und der Leistungsfähigkeit dieses Etablissements zu ermöglichen, – nachstehend anzuführen.

Die mächtigen Gerstenläger nehmen unsere Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch, wobei es von besonderem Interesse ist, zu beobachten, wie durch maschinelle Vorrichtungen die Gerste namentlich die halben Körner ausgeschieden werden, so daß nur gesunde volle Körner zur Verarbeitung gelangen. Nachdem auf diese Weise die Gerste auf das Sorgfältigste sortiert ist, gelangt dieselbe mittels Elevatoren in den Quellstock, worin dieselbe erst durch einen Bothner’schen Waschapparat auf das Gründlichste gereinigt wird, sodann bestimmte Zeit in reinstem Wasser ruht, um dem Gerstenkorn die nötige Feuchtigkeit zu geben, welche das Wachstum vorbereitet.

Es sei an dieser Stelle gleich eingeschaltet, daß die Leipziger Bierbrauerei, Riebeck & Comp. Aktien-Gesellschaft, zwei Mälzereien und zwar die alte Tennen-Mälzerei und die neuerdings erbaute pneumatische Mälzerei, System Saladin, besitzt und unterscheiden sich diese beiden verschiedenen Arten der Grünmalzbereitung in der Hauptsache nur dadurch, daß bei der Tennen-Mälzerei die eingeweichte Gerste von dem Quellstock direct nach den Tennen gefördert und daselbst in bestimmten Zwischenräumen durch Menschenhand umgeschaufelt wird, während bei der pneumatischen Mälzerei die zu wachsende Gerste von den Quellstöcken in die Keimkästen geleitet und die Handarbeit der Umschaufelung wie auf den Tennen, in den Keimkästen durch maschinellen Betrieb erfolgt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/244&oldid=- (Version vom 23.2.2020)