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Seine Witwe Frau Ros. Fikentscher, der schon langjährige Mitarbeiter und Schwiegersoh Herr Wilhelm Mensing und der älteste Sohn Herr Wilhelm Fikentscher übernahmen die Fabrik und sind noch heute deren Inhaber. Nach dem Rücktritt des Herrn Wilhelm Mensing von der persönlichen Leitung am Geschäft übernahm Herr Wilhelm Fikentscher 1870 die oberste Leitung der Firma, unterstützt von Herrn Richard Mensing als technischem Direktor und in neuester Zeit von einem jüngeren Bruder, Herrn Paul Fikentscher.

Die Fabrik besteht jetzt aus 3 Abteilungen, wenn dieselben auch räumlich nicht getrennt sind und die Arbeiten vielfach in einander greifen:

1. die chemische Abteilung,
2. die Thonwarenfabrik,
3. die Ziegelei.

In der chemischen Abteilung werden, wie schon erwähnt, nur Quecksilberpräparate erzeugt, deren Absatzgebiet sich außer auf ganz Deutschland auch besonders auf Italien, Rußland und Kleinasien erstreckt.

Verarbeitet werden im Jahre ungefähr 30 000 kg. Quecksilber, welches zum Teil aus Spanien über England, zum kleineren Teil aus Rußland und Oesterreich bezogen wird.

An Thonwaren werden hergestellt:

1. Gefäße bis zu mehr als 1000 Ltr. Inhalt, Wannen und dergl., feuer- und säurebeständige Steine und Platten für chemische Zwecke, und hat die Fabrik hierfür trotz des teueren und schwierigen Transportes regelmäßigen Absatz nicht nur bis nach Rußland, Frankreich, Italien, Spanien, Norwegen, Nord- und Süd-Amerika, sondern auch nach England, trotzdem dort diese Industrie schon seit vielen Jahren gepflegt wird.

2. Thonröhren in den verschiedensten Dimensionen für Kanalisation, Wasserleitungen, Abortanlagen und dergl. und sucht die Fabrik das beste und festeste Material herzustellen, wenn sie auch infolgedessen nicht immer imstande ist, mit Erfolg da zu konkurrieren, wo man mehr auf Billigkeit als auf Qualität sieht. Sie hat aber auch die Genugthuung, daß ihre Röhren überall da vorgezogen werden, wo man auf die Qualität Wert legt, also besonders von königlichen und städtischen Behörden, bei Eisenbahnbauten und dergleichen.

Der Herstellung von Thonröhren schließt sich an die von Schornsteinaufsätzen, Viehtrögen, Pflasterplatten, glasierten Steinen und dergleichen.

Beschäftigt werden in der Fabrik 300 Arbeiter; der Lohn betrug für dieselben im Jahre 1888 über 235 000 Mark.

Der Versand an Waren betrug im gleichen Jahre ca. 30,000 000 kg., der Verbrauch an Kohlen ca. 17,000 000 kg.

Es sind vorhanden: 59 Brennöfen für die Thonwaren, 1 Kanalofen mit Gasfeuerung für eine Produktion von 5 000 000 Mauerziegeln, 7 Dampfkessel mit 400 qm. Heizfläche, 7 Dampfmaschinen mit zusammen 300 Pferdekräften zum Betrieb einer großen Anzahl Hilfsmaschinen.

Ausstellungen sind von der Fabrik früher sehr oft beschickt worden, und hat dieselbe bei solchen Gelegenheiten mehr als 20 Auszeichnungen erhalten.

Eine größere Anzahl von Arbeitern hat Medaillen für Treue in der Arbeit erhalten, da sie meist in der Fabrik bleiben, auch wenn sie jung in dieselbe eingetreten sind.

Allerhöchsten Besuch hat die Fabrik wenig Jahre nach dem Regierungsantritt Sr. Majestät des Königs Johann zum letzten Mal gesehen, ist aber sehr häufig von Vereinen, Schulen, Fachgenossen, Ingenieuren und fremden Gelehrten besucht worden, um so mehr, als sie keinerlei Geheimniskrämerei treibt.

Eine Fabrikkrankenkasse bestand in der Fabrik seit mindestens 30 Jahren und gaben die Arbeiter ungern die alte Ordnung derselben auf, als die jetzt gesetzliche an deren Stelle trat, wiewohl die letztere sich nur formell von der früheren unterscheidet; für Altersversorgung ist bereits ein ansehnlicher Fond vorhanden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/121&oldid=- (Version vom 23.2.2020)