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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Gebiet sein deutscher Biedersinn bedeutend ausgedehnt hatte, es ihm gestatten wollten, ließ er das Theaterwesen seinen von ihm gebahnten Weg fortschreiten, um sich selbst ganz dem Dämon der Musik, dem er sich auf immer und unwiderruflich verschrieben hatte, hinzugeben.

So geschah es denn auch in Dresden, zu einer Zeit, als Weber mit der ganzen Sorgenlast für die Leitung des dortigen Theaters beladen war, daß er die großartige Composition: der Freischütz, welche, nachdem sie ihm während seines Lebens nicht weniger heftige Widersacher als enthusiastische Freunde zugezogen hatte, bis auf den heutigen Tag den solidesten Grund zu[WS 1] seinem unsterblichen Ruhm gelegt, unternommen und vollständig durchgeführt hat. Er war so glücklich, in dem Texte dieser Oper einen Gegenstand zu finden, dessen mystischer Anstrich seinen eigenen Ideen ganz besonders zusagte, und seinen genialen Begriffen ein weites Feld eröffnete, wie er’s sich nur wünschen konnte. Es gibt wenig Opern, deren Musik sich den Worten so genau anschließt; man sollte meinen, sie wären beide für einander geschaffen und so mit einander verwebt, daß man sie in dem Gedanken nicht von einander zu trennen vermag. Die Elemente der Tonkunst sind an und für sich überaus in’s Wilde schweifend; man kann im Allgemeinen nicht leicht behaupten, diese oder jene Musik ist diesem oder jenem Texte eigen und könnte mit keinem andern verwechselt werden. Der Beweis hierzu ist, daß bisweilen zwei Componisten für den nämlichen Text die Noten gesetzt, und jeder für sich eine vortreffliche Arbeit geliefert haben. Die Musik des Freischützen hingegen ist so innig mit dem Gegenstand des Stückes verwoben, daß man sich keinen Begriff davon machen kann, man könnte ihr einen anderen unterschieben; sie enthält eine unzählige Menge von Instrumental-Combinationen, deren jede als ein gefundener Schatz gelten kann, und da man Deutscher sein muß, um für Schönheiten dieser Gattung den rechten Sinn zu haben, so folgt daraus, daß diese Musik nirgends, als jenseits des Rheines nach Würde geschätzt werden kann.

Nachdem Weber seine Partitur zu Ende gebracht hatte, sah er wohl die Nothwendigkeit ein, daß er, um sie gehörig auszuführen, zu größeren Künstlern, als die an seinem kleinen Dresdener Theater, seine Zuflucht nehmen müsse. Er begab sich mit seiner Arbeit nach Berlin, und in dieser Stadt war es, daß sie im Jahr 1822 für’s Erstemal gegeben wurde. Der Beifall war vom ersten Augenblick an entschieden, und der Name Weber, schon früher wegen mancher guten Compositionen vortheilhaft bekannt, ward von nun an einer der populärsten in ganz Deutschland. Ueberall spielte man den Freischütz und überall machte er den tiefsten Eindruck. Das Ausland ward bald von dem lebhaften Applaus erschüttert, welcher der

Arbeit des Dresdener Tonkünstlers gezollt wurde, und mit der größten Eilfertigkeit

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zn
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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/309&oldid=- (Version vom 6.5.2018)