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verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang

Sind dieses Pilger, die hier Zuflucht gefunden? Und wandelt in ihrer Mitte nicht Memling, der malende Soldat, der kranke Krieger, der zum Danke für Pflege und Wartung, den Klosterfrauen seinen Farbenkasten aufschließt und unschätzbare Wunderthaten mit seinem sanften Pinsel schafft? Wie ein Blitz durchschießt die Phantasie die öden, ehrwürdigen und phantastischen Räume dieser Stadt, überall neu sich entzündend, ein jeder Stein bietet ihr Stoff und Anziehung.

Und anderthalb Stunden weiter Gent, die Mutterstadt des goldnen Vließordens, die Geburtsstadt Karl des Fünften, der uralte Heerd steter Unruhen, kühner Aufstände und gährender Bürgerkraft, Gent, eine der wunderbarsten und reichsten Städte des Festlandes, mit ihrem prächtigen Stadthause, mit ihrem colossalen Belfried, mit ihrem unvergleichlichen Dome, mit ihren zahlreichen Denkmalen alter und moderner Kunst.

Und Courtrai, und Antwerpen und Brüssel selbst. Welche Ausflüge innerhalb eines Umkreises weniger Stunden, in Gesellschaft einer ewig wandernden Karavane, in Mitte der Hunderte von Reisenden, die der schäumende Dampfwagen von einem Ende des Landes zum andern in fröhlichem Fluge führt! Man vergleiche die mühseligen Spazierfahrten von Carlsbad und Teplitz, die traurigen Lustparthieen von Scheveningen und Helgoland, wo der Genuß eine Arbeit ist und das Vergnügen im Schweiße des Angesichts erkauft werden muß[1].

Bei allem dem wollen wir nicht zu weit gehen. Nicht jeder Tag bescheinet sonnig die Straßen, welche in die nahen Städte führen, nicht jeder Badegast hat die Lust und Befähigung, täglich einen Ausflug zu machen. Es gibt in jedem Badeorte immer einen guten Theil Gäste, die wie Enten sich nicht von der Quelle wegrühren und häuslich und schwerfällig den Ort nie verlassen,


  1. Der Abstecher nach Sas van Slijkens, verdient doch auch wohl einer Erwähnung. Wir möchten keinem Fremden rathen, den ohngefähr eine Viertelstunde von Ostende gelegenen, freundlichen Flecken unbesucht zu lassen. Es findet sich daselbst ein allerliebstes, kleines Naturalienkabinet, das manches merkwürdige Exemplar besitzt, wofür die größten Museen es beneiden dürfen, eine treffliche Sammlung seltener Thiere und Vögel. Der Eigenthümer, der diese schöne Collection mit Eifer, Geduld und Mühe zusammengebracht, ist ein schlichter Gastwirth, ein Flamänder, der an der Seeküste zum Naturforscher sich heranbildete, ein Autodidakt, der, vom Hause aus ohne Unterricht und Erziehung, sich auf praktischem Wege Kenntnisse erworben hat, die manchen Gelehrten beschämen könnten. Der Name dieses Mannes ist Franz Paret, und seine Gefälligkeit gegen Fremde ist eben so rühmenswerth, als sein Talent.
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verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang. Herbig, Leipzig 1841, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)