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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Deutschland zu einer Armee um und zerschmettert den Adelstolz der Offiziere, bekömmt Deutschland eine Nationalflagge und eine Flotte, so ist Vieles, und Viel zugleich für die Zukunft geschehen. Die Männer, die dies erwirkten, werden ermüdet sich ausruhen, aber die Söhne solcher Thaten werden schon wüthig in die Fußstapfen der Väter treten. Hier fällt alle Ironie weg. Behalten wir das Große immer im Auge, und bespötteln wir nur das Kleine. — Aber noch steht Deutschland nicht auf diesem Punkt, noch ist das Vertrauen zwischen scheinbar verschiedenen Tendenzen nicht hergestellt. Noch sind die öffentlichen Sitten Deutschlands die nicht, die eine große politische Nation konstituiren. Noch hat der Mensch seinen Werth als Mensch nicht, noch schätzt man ihn nach seinem Titel und seiner thierischen Geburt, noch ist die Heirath in Deutschland eine Spekulation, noch fühlt das Weib nur als ein Weib, nicht als Mensch, nicht als Deutsche zuerst, noch ist die Erziehung nicht national oder rein humanistisch, noch feinden sich die verschiedenen Religionen an, als wären sie nicht alle sterbliche Menschen eines Vaters, noch hat der Schriftsteller nicht das Bewußtsein seiner wahren Mission, noch räumt ihm die Gesellschaft die Stelle nicht ein, die ihm, durch das unverjährende Recht des Geistes gebührt, aber das Alles wird und muß sich zum Bessern gestalten, und wir alle tragen dazu bei. Diejenigen, die die Gegenwart verdammen, so wie die, die sich mit der Zukunft trösten. Es ist genug, wenn man an die Sendung einer Nation glaubt, um ihrer Wahrheit sicher zu sein. Die Dinge, die da kommen, werden nicht vorausgesagt, weil sie kommen, sondern sie kommen, weil sie voransgefühlt wurden. Erkennen wir ernst an, daß es in einem Staate keine individuelle Axe gibt, die sich um sich selbst dreht. Handel, Kunst, Literatur, Poesie, Diplomatie, Gewerbe, Gesetzgebung, Sitten, Musik, Tanz, Leben und Sterben, alles dies ist eine Perlenschnur tausendartiger Spezialitäten, die in eine Einheit zusammenschlagen. Wäre Gott nicht, die Philosophie hätte ihn als Einheit der Kraft erfinden müssen. Darum muß uns nichts klein sein, nichts geringfügig. Andere sind nur groß, weil wir bis jetzt klein waren, andere heilig, weil wir profan. Doch ist's besser, wir machen Alles groß. Alles heilig, als Andere mich klein und profan. Deutschland soll groß und heilig werden! Weil wir Alle dies wünschen, darum wird es sich auch erfüllen.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)