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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

diese Tiefe und gönnt einen Blick in seinen Schooß, der in geheimnißvoller Keuschheit die Geburt einer neuen Zeit in sich reifen zu lassen scheint.

In dem letzten Jahre waren es zwei Gelegenheiten, wo die öffentliche Stimme in Deutschland mit einer gewissen eclatanten Heftigkeit zum Durchbruch kam. Die Veranlassung dazu gab das Rheinlied und Heine’s Buch über Börne.

Die vielstimmige Abwehrung, welche Heine’s Buch von allen Partheien erlitt, die Protestationen und Verdammungsurtheile, die von allen Seiten chorartig sich erhoben, geben wohl am besten den Standpunkt an, den Börne in Mitte der Nation erhalten hat.

Und grade hier ist es am Orte einige versöhnende Worte über Heine’s Buch zu sagen. Grade, indem wir den edlen Namen Börne als Überschrift dieser Zeilen brauchten, glauben wir ein würdiges Erinnerungsopfer ihm zubringen, indem wir über den Mann, den die Welt seinen Feind nennt, einige mildernde Worte schenken.

Deutschland hat seine Moden so gut wie Frankreich. Es gab eine Zeit wo man es nicht wagen durfte den mindesten Tadel gegen Heine auszusprechen, ohne von der ganzen deutschen Journalistik gesteinigt zu werden. Heute ist es grade umgekehrt; der schöne Zorn und die vielleicht zu entschuldigende Leidenschaftlichkeit, mit welchen einige Führer unserer Literatur bei dem Erscheinen des Heinischen Buches über Börne, den Bannstrahl dagegen schleuderten, ist zum guten Tone geworden; jeder Geck von Zeitungsschreiber, jeder obscure literarische Gamin glaubt sich an Heines Namen seine Sporen zu erobern. Es ist Brauch geworden, jeden Tag einige Injurien auf Heine zu werfen, wie es Brauch ist, jeden Tag ein Paar gewichste Stiefel anzuziehen, und es giebt Literaten, die jener Mode sorgfältiger nachkommen als dieser. Indem wir hier zu Gunsten Heine’s sprechen, was treibt uns dazu? Es ist wenig Popularität damit zu holen. Aber uns drängt unser inneres Gefühl, das sich empört, wenn es das Haupt eines Dichters, dem wir und mit uns alle Genossen unserer Jugend so viele wunderbar erregte Stunden danken, ohne Aufhören als Zielscheibe sehen, nach welcher jede vandale Feder ihre gemeinen Bolzen schießt.

Der Zorn, der unsere Literatur im vorigen Jahre beseelte, hat ihr wohl angestanden; aber die affenartige Manier, mit welcher unser literarischer Nachtrab, die Splitter und Waffentrümmer, welche den Händen der Führer entfallen, aufrafft, um sich damit zu brüsten, gleichfalls zu der Zahl der Kämpfenden zu gehören, dieser vandalische Affenkampf ist gemein und empörend.

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/111&oldid=- (Version vom 31.7.2018)