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eine Kopie davon zu fertigen. Dieses vielbewunderte Gemälde ist unstreitig eines der zaubervollsten Frauenbilder, die je aus einem Maleratelier hervorgegangen sind; auch der höchsten Virtuosität kann so etwas nur gelingen, wenn sie sich in den Dienst begeisterter Anschauung begibt.

Weiter harrte Wolfs noch eine schwierige Aufgabe, als er sich anschickte, meinem Wunsche gemäss das grosse, unter dem Namen die Familie Pesaro bekannte Votivbild Tizians in der Kirche der Frari zu kopiren. Auf dem Altare, den es schmückt, ist es fast den ganzen Tag in tiefe Dämmerung gehüllt; und weil die Herabnahme von seinem Platze sich nicht erreichen liess, ward die Arbeit überhaupt nur dadurch ermöglicht, dass sorgfältig jeder lichtere Moment benutzt wurde. Von vornherein erklärte Wolf, bei der Wiedergabe eines so höchst ungünstig situirten Gemäldes, das in einzelnen Partien von ewiger Nacht umhüllt sei, würden sich die höchsten Anforderungen überhaupt nicht befriedigen lassen. Aber ebenso sehr die Schwierigkeit der Aufgabe, wie die Herrlichkeit des Werkes reizten ihn zu dem Versuche, was sich werde leisten lassen. Das Bild ist erstaunlich hoch, und es wäre für dasselbe kaum ein Platz in meinen Räumlichkeiten zu ermitteln gewesen. Obgleich ich nun bisher mit sehr wenigen Ausnahmen an dem Grundsatze festgehalten hatte, die Kopien müssten das gleiche Format wie das Original haben, war ich hier genötigt, das Mass um etwas reduziren zu lassen. Ich entschloss mich jedoch um so leichter dazu, als die alten Meister ihre Figuren nur dann lebensgross zu malen pflegten, wenn die Gemälde für sehr hohe Kirchen oder Säle bestimmt waren; und so berechnete Wolf die Verhältnisse seiner Kopie in der Weise, dass sie in meinem kleineren Raume dieselbe Wirkung macht, wie das Original in der riesigen Kirche; die vorderen Gestalten haben sogar fast volle Lebensgrösse. Wie vorzüglich, unter Berücksichtigung der Umstände sogar wie staunenswert ihm seine Arbeit gelungen, welches Verdienst er sich dadurch erworben, dass er das in Venedig kaum sichtbare Altarstück jedem Blicke zugänglich gemacht, werden alle billig Denkenden anerkennen. Dasselbe gehört zu Tizians besten Schöpfungen. Das alte Venedig in seiner ganzen Machtfülle und Herrlichkeit tritt in ihm vor unsere Augen; in den Gliedern der Familie Pesaro, welche den Segen der heil. Jungfrau empfangen, während ein Krieger das Siegesbanner schwingt und einen mohammedanischen Gefangenen heranführt, erblicken wir die edelsten Typen jener stolzen und thatkräftigen Geschlechter, welche die Fahne des Freistaats bis in den fernsten Orient trugen und mächtige Königreiche in den Staub beugten. Der Vorzug der vollendetsten Porträtmalerei vereinigt sich hier mit dem Adel einer grossartigen historischen Komposition und mit der religiösen Weihe eines Andacht erweckenden Altargemäldes.

Lange bemühte ich mich, dass Tizians Tobias mit dem Engel in S. Marziale zu Venedig von der sehr hohen Stelle, wo er hängt, an einen besseren Platz gebracht würde. Da dies nicht gelang, bat ich Wolf, eine andere Darstellung desselben Vorganges, die sich in Santa Catarina befindet, zu kopiren. Dieser Tobias wird zwar meist einem Schüler Tizians, dem Santi Zago, beigelegt, von Ridolfi aber schon im Jahre 1640 dem grossen Meister selbst zugeschrieben und er ist dessen auf alle Weise würdig. Wenn der Knabe hinter dem in S. Marziale zurücksteht, so erscheint mir dagegen der Engel den auf dem Bilde jener Kirche weitaus zu übertreffen; den holdseligen Engelknaben des Gian Bellin hat hier der Maler einen Cherub in der höchsten Glorie gegenübergestellt; seine Schwingen sind von einer Macht, dass sie ihn durch alle Himmel tragen müssen.

Zu den Riesenarbeiten, welche Wolf während der elf Jahre seines bisherigen Aufenthaltes in Italien für mich vollendet hat, gehört auch seine Kopie des berühmten Fischers von Paris Bordone. Dieselbe ist ihm so unübertrefflich gelungen, dass er jeden Maler der Welt herausfordern darf, es ihm gleich zu thun. Italienische Kunst hat wohl nichts hervorgebracht, was sich an Glanz und Pracht mit diesem Fischer messen könnte, und wenn Tizian, Palma, Paul Veronese auch in anderer Hinsicht Höheres geschaffen, in Farbenherrlichkeit hat Paris Bordone sie hier noch übertroffen und ein wahres Nonplusultra geliefert. Das ist kein rohes Bravourstück, kein Ausschütten des Farbenkastens auf die Leinwand, um einen leicht gewinnbaren Effekt zu erzielen, vielmehr muss man die feinste Verteilung und Aussparung des Kolorits, die tiefste künstlerische Berechnung in Zusammenstimmung der verschiedenen Tinten bewundern. Wie glänzend und blendend auch alle die mannigfaltigsten Farben im einzelnen sind, so drängt sich doch keine derselben vor, vielmehr ist jede dem Ganzen untergeordnet, und aus der Harmonie aller resultirt die höchste Gesamtwirkung. Erst bei einem sorgfältigen Studium wird man erkennen, wie Ungeheures hier geleistet ist; man möchte glauben, Paris Bordone habe sein ganzes Leben lang studiert, um dies einzige Werk hervorzubringen; seine meisten anderen Arbeiten stehen nicht auf gleicher Stufe, und nur einige Porträts, wie z. B. das himmlische weibliche Bildnis in der Nationalgalerie zu London, bekunden ihn noch als einen Meister ersten Ranges. Der in der Akademie zu Venedig befindliche Seesturm, den Wolf in etwas verkleinertem Massstabe für mich kopirt hat, wird jetzt gleichfalls und wohl nicht ohne Grund dem Paris Bordone zugeschrieben. Da die Legende, auf welche sich dieses Bild bezieht, in engem Zusammenhange mit derjenigen steht, die in dem „Fischer“ behandelt ist, so muss ich zunächst erst einige Augenblicke bei diesem „Seesturm“ verweilen. Man sieht auf demselben Dämonen, die ein heftiges Unwetter in den Lagunen erregt haben, auf Masten und Segelstangen eines Schiffes umherklettern, aus dem Flammen emporschlagen; andere Teufel von grauser Missgestalt, Ungetüme mit Drachenhäuptern, tauchen aus den wild empörten Wellen auf; da schifft der heil. Markus in einem Nachen herbei und beschwört die höllischen Mächte, dass die Wut des Orkans sich bricht und die Dämonen verzweifelnd sich in die Tiefe stürzen. Der Apostel reicht dann dem seinen Nachen führenden Fischer einen Ring mit dem Auftrage, denselben dem Dogen von Venedig zu bringen, der fortan in solchem äusseren Zeichen die Herrschaft über das Meer besitzen solle. Dieser „Seesturm“, der früher mit Giorgiones Namen bezeichnet ward, hängt an einer so finsteren Wand, dass ich mich mit einer Skizze davon begnügen musste; allein schon diese erscheint mir als äusserst interessant. Etwas Wilderes, Phantastischeres hat kein Italiener gemalt; aber wenn man an die widrigen Höllengreuel denkt, die mit Vorliebe von den altdeutschen und niederländischen Künstlern geschildert worden, so muss man das Schönheitsgefühl preisen, mit dem hier die Ausgeburten eines tollen Volksglaubens geadelt sind. Auf dem „Fischer“ nun setzt sich die Handlung des vorgenannten Bildes fort. Wir sehen vor uns in einer weiten prächtigen Halle, welche ganz von der Phantasie des Künstlers geschaffen ist und kein Vorbild in Venedig hat, den Dogen umgeben von den Senatoren und Nobili der Republik und vor ihm den eben aus seinem Boot entstiegenen Fischer, welcher ihm den Ring des heil. Markus einhändigt.

Sehr zahlreich durch alle Galerien verstreut finden sich Gemälde, welche mit dem Namen Bonifazio bezeichnet sind, und ich habe oft gedacht, wenn man nicht wisse, von wem ein Bild herrühre, so müsse Bonifazio als der Urheber herhalten. Es hat verschiedene Künstler gegeben, die so hiessen, und die ihnen zugeschriebenen Werke sind von sehr ungleichem Wert; aber ein Bonifazio, nämlich der ältere, reiht sich den besten Malern Italiens an, und ich wollte ein paar Proben seiner edlen Begabung in meiner Sammlung nicht entbehren. Seine von Wolf kopirte Madonna, von Heiligen umgeben, leuchtet zwar zunächst durch die entzückende goldige Wärme des Kolorits