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Fresko nie ein gleich sattes Kolorit zu erreichen ist wie im Oelgemälde, in letzterer Hinsicht hinter anderen seiner Werke zurückstehen. Die erstgenannten Vorzüge derselben sind jedoch so gross, dass ich ihrer zwei kopiren zu lassen beschloss, und zwar dies trotz der Erwägung, dass die Uebertragung von Wandbildern in Staffeleigemälde stets eine missliche Sache sei. Wolf brachte zum genannten Zwecke während zweier Sommer mehrere Monate in der Villa zu, froh, der Glut und den Mückenstichen in der Lagunenstadt zu entrinnen, am Tage während seiner Arbeit wohl auch unter der Julihitze leidend, sich aber am Abend in dem luftig gelegenen Städtchen Asolo, dem Wittwensitze der Katharina Cornaro, erfrischend. Die Kopien der beiden Fresken, die er dort vollendete, fielen vortrefflich aus. Auf der einen derselben erblickt man Venus auf Wolken hingebettet, von Amoretten und Grazien umgeben, und rechts von ihr den erst geborenen Liebesgott, wie ihn eine Nymphe waffnet; die andere, deren ausserordentliche Schönheit sich nicht genug preisen lässt, zeigt Bacchus in mitten jubelnder weinlaubbekränzter Scharen, wie er Traubensaft in eine Schale auspresst, und neben ihm die auf einem Aehrenbündel ruhende Ariadne.

Die beiden, meines Bedünkens schönsten Oelgemälde Paolos, welche Venedig besitzt, nämlich die heil. Katharina in der gleichnamigen Kirche, und die thronende Madonna in der Akademie, durfte ich mir nicht entgehen lassen. Die erste bekundet in wie unübertrefflicher Weise der Maler den Glanz und Prunk, der in den Häusern der venezianischen Nobili herrschte, mit Innigkeit und andachtsvoller religiöser Empfindung zu verbinden wusste. Kein weltliches Vermählungsfest kann prachtvoller sein, als dieses der Sancta Catharina mit dem Jesuskinde. Die Heilige ist in so luxuriöse Gewänder gehüllt, wie nur Katharina Cornaro bei ihrer Hochzeitsfeier sie getragen haben kann; und doch reisst diese äussere blendende Pracht die Seele nicht aus der weihevollen Stimmung, die über dem Ganzen ruht. – Die „thronende Madonna mit dem Christkinde‟, die sich früher, ein nobles Seitenstück zu dem herrlichen Gian Bellin, in S. Zaccaria befand, jetzt in der Akademie ihren Platz hat, ist wohl das grossartigste Werk des Paolo; hier dient die höchste Farbenherrlichkeit doch nur zur Vermehrung des hoheitsvollen Ernstes einer echt kirchlichen Komposition. Diese Madonna ist die wahre Himmelskönigin, welche Anbetung heischt.

Einer der fruchtbarsten Künstler, von dessen umfangreichen Gemälden, wie Vieles auch hinweggeführt worden, noch jetzt ganz Venedig erfüllt ist, war Tintoretto. Man hat ihn in neuerer Zeit, wie die Mode stets Wechsel im Urteile hervorruft, ausserordentlich emporgehoben; ein geistreicher Schriftsteller, den die Engländer gegenwärtig als eine Autorität in Kunstsachen betrachten, Ruskin, geht so weit, ihn neben Dante und Michel Angelo den dritten Master-spirit of Italy zu nennen, und sein Ausspruch hat so viel Geltung gewonnen, dass, wie ich oft bemerkt habe, die reisenden Britten in Venedig besonders zu Tintorettos Bildern wallfahrten, als wären sie die grösste Sehenswürdigkeit der Dogenstadt. Die Unselbständigkeit der meisten Menschen, die sich in dieser Weise von einem einmal ausgesprochenen Urteile leiten lassen, ist mir immer eine klägliche Erscheinung gewesen. Das Unerklärliche bei dieser Wandelbarkeit des Geschmacks bleibt, dass jede Generation sich für überzeugt hält, ihr Standpunkt sei der einzig massgebende, während doch die geringste historische Betrachtung zeigt, dass die Ansichten beständig fluktuiren, und der Alternde oft erlebt, dass dasjenige herabgesetzt wird, was in seiner Jugend bewundert wurde. So wird auch der übertriebene, jetzt dem Tintoretto erwiesene Kultus vermutlich schon nach einem Jahrzehnt eingestellt oder doch auf ein geringeres Mass zurückgeführt werden. Gewiss besass dieser Künstler eine unerschöpfliche Erfindungskraft und eine ungemeine technische Fertigkeit; allein er war doch mehr Virtuos, als ein aus innerem Seelendrange schaffender Künstler. Seine meisten Werke lassen daher kalt, vornehmlich diejenigen, in denen er ein unübersehbares Gewimmel von Figuren auf die Leinwand hingeworfen hat. Ein besonderer Uebelstand, an welchem seine Gemälde mehrenteils leiden, ist es noch, dass sie, wohl infolge schlechtgewählten Farbenmaterials, zu dunkel, oft fast schwarz geworden sind. Um jedoch auch diesen, immerhin bedeutenden und merkwürdigen Meister in meiner Sammlung nicht zu missen, wählte ich zwei Bilder aus, die mir zu seinen vorzüglichsten zu gehören scheinen und weniger Spuren einer Nachdunkelung tragen. Das eine, gewöhnlich Bacchus und Ariadne genannt, in der Sala dell’ Anti-Collegio des Dogenpalastes ist zum mindesten in der Farbe vortrefflich und von grosser pittoresker Wirkung, wenn auch die Zeichnung der Figuren manches zu wünschen übrig lässt. Was im Grunde diese Gruppe zu bedeuten habe, möchte sich schwer enträtseln lassen. In der Bacchusmythe ist keine Scene vorhanden, die hier dargestellt sein könnte; wird denn von irgend einem Mythographen erzählt, dass Bacchus, aus dem Meere ans Ufer watend, der dort sitzenden Ariadne einen Ring darreicht, während Venus vom Himmel herabschwebt, um der Schönen einen Kranz aufzudrücken? Am wahrscheinlichsten dünkt es mich, dass wir es vielmehr mit einer Allegorie zu thun haben, dass die weibliche sitzende Figur Venezia vorstellen soll und der ihr dargebotene Ring der berühmte Dogenring ist, welcher ja, nach einer nachher noch zu erwähnenden Legende dem Beherrscher Venedigs zuerst von einem Fischer überbracht wurde. Die vermeintliche Venus würde dann Fortuna oder ein anderes allegorisches Wesen sein. – Wenn dieses Gemälde, das in guter Beleuchtung sich nahe dem Fenster befindet, bequem von Wolf kopirt wurde, so stellten sich dem gleichen Vorhaben in Bezug auf das Wunder der heil. Agnes in Maria dell’ Orto bedeutende Hindernisse entgegen. Das Bild ist in der Kapelle, für die es gemalt wurde, nahezu unsichtbar; ich würde es kaum gekannt haben, wenn ich es nicht viele Jahre früher, als man dasselbe zum Behufe einer Ausbesserung von dem Altare entfernt hatte, gesehen hätte. Seit dieser Zeit stand es in zauberischem Lichte in meiner Erinnerung und ich beschloss, Alles daran zu setzen, um es an einen besseren Platz gebracht zu wissen. Endlich wurde dies erreicht; und als sich das Werk in allen seinen Teilen überblicken liess, bestätigte sich mein früheres Urteil, dasselbe sei die vielleicht ausgezeichnetste von allen Leistungen Tintorettos. Die dargestellte Legende ist diejenige, wonach die heil. Agnes durch ihr Gebet vom Himmel erreicht, dass ein sie bedrohender römischer Krieger wie vom Blitze getroffen zu Boden stürzt, wonach sie dann aber, um dem Prätor die Wunderkraft ihres Gebetes zu zeigen, den Toten wiederum zum Leben erweckt. In dem Antlitze der knieenden Heiligen ist die reinste jungfräuliche Unschuld ausgeprägt. Die Darstellung des Vorganges lässt an drastischer Lebendigkeit nichts zu wünschen übrig, und das Kolorit, in seiner Verteilung auf die Engelchöre oben, wie auf die verschiedenen Gruppen unten, entfaltet bei näherer Betrachtung immer neue Schönheiten.

Wenn Wolfs Kopien solcher Bilder, die sich ihm unter günstigen Umständen darboten, und besonders die grosser, figurenreicher Kompositionen meist jeden Vergleich aushalten, so lagen gewisse Klassen von Gemälden vielleicht doch nicht völlig in seiner Sphäre. Besonders mochte dies bei denen der Fall sein, welche, wie das Porträt, die grösste Schärfe der Charakteristik erheischen; mindestens hatte er hier an Lenbach, den sein eigenes, specielles Talent ganz vorzüglich auch zum Kopiren von Bildnissen befähigte, einen höchst gefährlichen Vorgänger, und ich sah ihn deshalb nicht ohne eine gewisse Zagnis sich an ein sehr vortreffliches Porträt von Tintoretto wagen. Dieses, das den Prokurator Priuli darstellt, besitzt nicht die ideale Schönheit, wie Tizians derartige Werke, z. B. das staunenswürdige Porträt des Dogen Grimani im Palast Morosini, das leider wenig zugänglich ist und um das ich mich vergebens bemüht habe;