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und die vorteilhafteren Momente sorgfältig benutzend, schliesslich ein höchst glückliches Resultat erzielt. Wer dieses wonnige, den Beschauer mit dem Gefühle innigster Seligkeit erfüllende Bild in meiner Galerie betrachtet, ahnt wohl nicht, wie viele Stunden des Bangens und Zweifelns bis zu seinem Zustandekommen verflossen sind, wie viele Sorgen und Mühen es gekostet hat. Damit es in seiner ganzen Erscheinung eine der des Originals möglichst entsprechende Wirkung mache, habe ich den Rahmen, der es in Venedig umgibt, genau nachformen lassen.

Zwei kleinere Madonnen des Gian Bellin in der Akademie zu Venedig, deren eine nur das Christkind vor sich hält, die andere von zwei Heiligen umgeben ist, waren leichter nachzubilden; auch auf ihnen ruht der reine und edle Geist des Meisters. Er hat seine Herzensandacht in sie ergossen, und sie locken in ihrem ewig-frischen Reiz zu stets erneuter Betrachtung, die sich mit immer neuer Freude lohnt.

Der edle alte Meister Cima, nach seinem Geburtsorte da Conegliano benannt, steht hinter Bellini an Grossartigkeit und Erhabenheit zurück, allein an Innigkeit der Empfindung und Schönheit der Formgebung kommt er ihm oft nahe. Dies zeigt seine Madonna mit dem Jesusknaben in der Akademie, welche Wolf für mich vorzüglich kopirte. Es ist mir unerklärlich, weshalb man lange Zeit hindurch und wohl auch noch bis auf den heutigen Tag den Malern der umbrischen Schule, den Perugino, Pinturicchio, einen wahren Kultus gewidmet und darüber die älteren Venezianer viel weniger beachtet hat. Nach meiner Meinung sind die Werke der Letzteren von derselben Tiefe des Gefühls, von derselben religiösen Weihe erfüllt, wie diejenigen der Schule, aus welcher Rafael hervorging, zeichnen sich jedoch durch edlere Gestaltung und durch ein Kolorit aus, das in der Knospe schon die Blüte venezianischer Kunst ankündigt.

Sebastian del Piombo, ein Schüler Bellins und Genosse des Giorgione, hat in Venedig nur wenige Denkmale seiner Thätigkeit zurückgelassen. Er ging schon in frühen Jahren nach Rom und wurde hier den aus seiner Heimat mitgebrachten Traditionen halb und halb untreu, indem er den Stil des Michel Angelo, dessen schroffe Strenge und bisweilen an Uebertreibung grenzende Grossartigkeit, mit dem venezianischen Kolorit und Schönheitsgefühl zu verbinden suchte. Aber wahrscheinlich hat dies seiner Kunst zum Schaden gereicht, und er würde Grösseres geleistet haben, wenn er auf der zuerst von ihm eingeschlagenen Bahn geblieben wäre. In dem Altarblatt der Kirche S. Giovanni Crisostomo steht er den Besten seiner Zeit gleich. Auf demselben erblicken wir den heil. Chrysostomus, eine würdige Greisengestalt, an einem Pult schreibend. Vor ihn hin tritt der jugendliche Johannes der Täufer, gefolgt von dem, mit Ritterrüstung bekleideten heil. Liberalis; weiter nahen ihm die heil. Magdalena mit dem Salbgefäss, die heil. Agnes mit dem Feuerbecken und die heil. Katharina mit dem Rade. Ueber alle diese Gestalten ist eine Fülle von Schönheit ergossen, besonders über die heil. Magdalena, in welcher man Palmas Tochter Violanta zu erkennen glaubt. Das Bild konnte nicht von dem Altar, an welchem täglich Messe gelesen wird, entfernt werden; die Beleuchtung daselbst ist sehr ungünstig, und nur durch Anbringung eines grossen Schirms, der Abhilfe gegen die Störung durch einfallende Lichteffekte brachte, ward das Kopiren desselben überhaupt ermöglicht. Trotzdem blieb die Arbeit eine äusserst schwierige, und nachdem ich sie während ihres Fortgangs beobachtet und mich täglich von den zu überwindenden Hindernissen überzeugt hatte, erstaunte ich schliesslich, dass sie so gut ausgefallen war.

Noch besass ich nichts von Paul Veronese und wünschte doch, einige seiner schönsten Werke bei mir zu sehen. Dieser Maler wird gewöhnlich nicht in dem ganzen Umfange seines staunenswerten Talentes anerkannt. Gewöhnlich preist man ihn nur als den in blendender Farbengebung unerreichten Virtuosen; seine grossen Gastmahle, deren eines sich in Paris, das andere in der Akademie zu Venedig befindet, oder seine „Anbetung der Könige“ in Dresden, zeigen freilich diese Seite seiner Begabung in eminentem Grade; andere Gemälde von ihm jedoch thun dar, dass er sich auch auf bewegte Kompositionen, wie Wenige, verstand, und seine „Kreuztragung“ in Dresden ist von so ergreifender dramatischer Lebendigkeit, dass sie jeden Vergleich herausfordert. Ich trachtete nun danach, mir Kopien von verschiedenen solchen Werken des Meisters zu verschaffen, aus deren Zusammenstellung sich die volle Tragweite seiner Leistungsfähigkeit erkennen liesse. Ein überaus glänzendes Prachtstück, das ihn nach allen Richtungen hin repräsentiren könnte, wie kaum ein anderes, ist das grosse Votivbild für die Schlacht von Lepanto in der Sala del Collegio des Dogenpalastes. Hier vereint sich das prangendste Kolorit mit einer vortrefflichen Anordnung und dem höchsten Adel der Form. Aber Wolf getraute sich erst, nachdem durch jahrelange Uebung seine Kraft gewachsen war, Bilder von so kollossalen Dimensionen in der gleichen Grösse zu kopiren. Auch waren damals meine Räumlichkeiten noch beschränkter, und so entschloss ich mich, mit einer beträchtlich verkleinerten Nachbildung vorlieb zu nehmen. Auf dieser können natürlich die Vorzüge des Originals nicht im vollen Masse zur Geltung kommen; es bleibt jedoch genug auf ihr übrig, was Bewunderung verdient. Der oben in einer Glorie thronende Christus und die unten Knieenden sind ebenso geschickt gruppirt, wie in den Stellungen und Physiognomien von seltener Würde und Anmut, besonders der mit Begeisterung aufschauende Doge Sebastian Venier und die weibliche Gestalt des Glaubens; auch hat die Farbenglut in der Verkleinerung wenig von ihrer ursprünglichen Kraft verloren.

Eine der umfangreichsten malerischen Unternehmungen des Paolo war die Ausschmückung der von Palladio erbauten, unfern von Treviso gelegenen Villa Masèr, mit Fresken. Diese gehören zu seinen besten Hervorbringungen und zeigen den seltenen Reichtum seiner übersprudelnden Phantasie, müssen aber, da im