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Arkadenganges angebracht sind und daher dem sicheren Untergange entgegengehen. Wie ist es doch nur möglich, dass man noch immer Experimente macht, in unserem Klima die äusseren Mauern von Gebäuden mit Fresken zu schmücken, da die Erfahrung schon seit Jahrhunderten gezeigt hat, dass solche, selbst unter dem italienischen Himmel, binnen kurzem von Regen und Sturm zerstört werden! Die grossen und berühmten Gemälde, mit welchen Giorgione und Tizian das Kaufhaus der Deutschen am Rialto in Venedig zierten, waren schon zu Vasaris Zeit kaum erkennbar; jetzt gewahrt nur ein bewaffnetes Auge noch spärliche Reste so grosser, unwiederbringlich verlorener Kunstwerke, und uns bleibt nicht einmal der Trost, in Holzschnitten oder Kupferstichen die Umrisse derselben bewundern zu können. Auch die neue Erfindung des Wasserglases, von welcher man glaubte, sie werde Fresken vor der schädlichen Wirkung der Witterung bewahren, scheint die Probe nicht genügend auszuhalten. – Um auf Rottmann zurückzukommen, so haben wir es gewiss zu preisen, dass er seine griechischen Landschaften, welche die schönste Zierde der neuen Pinakothek zu München ausmachen, für eine längere Dauer berechnete, und dass sie hoffentlich noch manche kommende Generation entzücken werden. Neben diese Meisterwerke dürfen sich die drei mir gehörigen Gemälde Rottmanns, die Griechenland ihre Entstehung verdanken, nicht stellen: sie nehmen jedoch an den Vorzügen derselben teil. Das Eine, ein kleines Rundbild, zeigt, wie Grosses sich mit wenigen Pinselstrichen erreichen lässt. Wir sehen eine einsam aus den Wellen aufragende Klippe des Aegeischen Meeres vor uns. Ueber die Wogen, die sich bis in unermessliche Fernen hinzubreiten scheinen, zittert eben der erste blasse Schimmer der Morgendämmerung. Der Anblick dieses Bildes erfüllt die Seele des Beschauers mit Naturandacht, als stände er einsam auf einem Schiffsverdecke inmitten des griechischen Meeres, in der ahnungsreichen Stille, welche dem Erwachen der heiligen Frühe voraufgeht. – In der Ansicht der Quelle Kalirrhoe entfaltet Rottmann seine ganze Virtuosität in Wiedergabe der Bodenformation jener vielzerklüfteten und zerrissenen Felsenschlucht, aus welcher die von den alten Dichtern hoch gefeierte Quelle in der Nähe des Jupitertempels bei Athen hervorsprudelt. Zugleich aber hat der tief empfindende Maler die Melancholie, die ihn an dieser Stelle ergriffen, über sein Gemälde ergossen und weiss sie uns mitzuteilen. Wir fühlen mit ihm die Verödung dieser Schlucht, wo ehemals ein prachtvoller Tempel geragt. Verstummt sind die Chorgesänge der Priester, die hier einst im Festzuge geschritten, und das Ohr vernimmt keinen anderen Ton des Lebens, als das Zirpen der dürstenden Cikade. – In dithyrambischer Naturbegeisterung ist unseres Malers Meeresküste im Sturm entworfen. Das Lokal ist offenbar Griechenland; doch weiss ich nicht genau anzugeben, welche Gegend desselben wir vor uns haben. Das hier vom wilden Sturmwind geballte, dort auseinanderstäubende Gewölk, durch das man in einen dunkelblauen Himmel von unergründlicher Tiefe hinausblickt, der vom Orkane gepeitschte, einsam dastehende Baum, und im Hintergrunde die rollende Meerflut zeugen von einer Meisterhand. Nur wenige andere Landschaften wirken gleich überwältigend; nur in wenigen möchte die äussere Erscheinung so lebendig aus der Anschauung und der Empfindung des Künstlers wiedergeboren sein. Wir fühlen uns bei deren Anblick wie vom Atem des Naturgeistes selbst durchschauert. – Drei kleine Bilder, welche Ausblicke auf Rom nach verschiedenen Richtungen hin gewähren, habe ich als Werke Rottmanns erstanden. Darüber, dass sie seiner vollkommen würdig sind, herrscht keine Meinungsverschiedenheit unter den Künstlern, wohl aber darüber, ob sie wirklich von ihm herrühren. Ich habe sie mit seinem grossen Namen bezeichnet und werde diese Bezeichnung nicht eher ändern, als bis mir beweiskräftig ein anderer Urheber derselben angegeben wird. Meines Bedünkens ist unter den Malern aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, ausser Rottmann, Keiner, der im Stande gewesen wäre, sie hervorzubringen, als etwa Catel, und gegen des Letzteren Urheberschaft sprechen doch starke Bedenken.

Wie Rottmann, so holte auch Bernhard Fries die schönsten Inspirationen zu seinen Landschaften aus dem Süden. Ein jüngerer Bruder des reichbegabten, lange vor ihm verstorbenen Ernst Fries, der mit Kopisch die blaue Grotte auf Capri entdeckte, stand er diesem an Talent kaum nach; aber unglückliche Lebensschicksale nötigten ihn zu oft hastiger Produktion, und seine Leistungen sind daher sehr ungleich. Ich habe aus einem grossen Cyklus italienischer und sicilianischer Landschaften, an dem er ein halbes Leben lang gearbeitet, zwei der vorzüglichsten ausgewählt. Dieselben erinnern in manchen Eigenschaften an diejenigen Rottmanns und sind ihnen namentlich in dem hohen Stilgefühl verwandt. Auf dem einen dieser Gemälde erblicken wir die Ufer des Flusses Oreto nebst der Admiralsbrücke bei Palermo, einen üppigen Südgarten, auf den sich die ganze Seligkeit des sicilianischen Sonnenlichtes herabsenkt. Hier, etwas weiter in der Richtung nach links, lag das alte arabische Lustschloss Favara, das noch den normannischen Königen zum Aufenthalte diente und von den morgenländischen Dichtern, die an ihrem Hofe eine Stätte fanden, vielfach besungen ward, von dem aber jetzt nur noch wenige Trümmer vorhanden sind. – Auf dem zweiten der Bilder von Bernhard Fries werden wir in das Sabinergebirge geführt, das ihm oftmals zum Aufenthalte gedient, und dem er seine Motive mit Vorliebe entnommen hat. Vor uns liegen die Mamellen, jene beiden allen Malern wohl bekannten Felsrücken zwischen Civitella und Subiaco. Die Lebendigkeit und Treue, mit welcher dieser unvergleichliche Fleck Erde hier vor uns hingezaubert wird, hat mich immer an dieses Gemälde gefesselt; ich wandle bei dessen Betrachtung dieselben Pfade, auf denen ich so oft wirklich hingeschritten bin, und jedes Plätzchen erfüllt mich mit süssen Erinnerungen an einen glücklichen Sommer, den ich einst hier verbrachte.

Auch der treffliche, seinen vielen Freunden erst kürzlich in vorgerücktem Alter entrissene Ernst Willers fasste die Natur mit hohem Sinne auf. Er hatte ihr tief in das Auge geschaut und wusste ebenso ihre heiter lächelnden Scenen, wie ihr düsteres, geheimnisvolles Grauen wiederzugeben. Durch siebenundzwanzigjährigen Aufenthalt in Rom war er fast zum Italiener geworden; aber auch Griechenland hatte er auf zweimaligen Reisen genau kennen gelernt. Und selbst als er im Alter in seine nordische Heimat zurückgekehrt war, blieb sein Sinn immer diesen beiden Ländern zugewandt. Oft habe ich noch in den letzten Jahren in dem Atelier des edlen, mir unvergesslichen Mannes, während ich in seinen überschwenglich reich gefüllten Mappen blätterte, mir im Gespräche mit ihm die herrlichen Gegenden zurückgerufen, in denen ich, wie er, geweilt. Mir vergönnten günstige Sterne, noch in jedem Winter den geliebten Süden wieder aufzusuchen, während er, durch die Verhältnisse und das zunehmende Alter an den deutschen Herd gebannt, sich in hoffnungsloser Sehnsucht nach dem milderen Himmel verzehrte. Aber vielleicht ist gerade diese Entfernung von jenen ihm so teuern Ländern den Werken seiner letzten Lebensjahre zu gute gekommen. Nachdem er die Umrisse der früher geschauten Landschaften in trefflichen Zeichnungen und Farbenskizzen mit nach Hause gebracht, umkleidete die Ferne dieselben mit noch magischerem Glanze, lieh ihm die Erinnerung noch wärmere Tinten für die Ausführung. Ich habe keine von Willers’ früheren Leistungen gesehen; aber seine Freunde versichern, die Aussicht vom Parke Chigi bei Ariccia nach dem Meere zu, das letzte grössere Werk seiner Hand, gehöre zu dem Allervorzüglichsten, was er geschaffen habe. Aus dem Schatten mächtiger Bäume, die von üppigem Pflanzenwuchse umgeben sind, gleitet der Blick nach dem duftigen Vorgebirge der Circe, das in dämmernder Ferne aus den Wellen taucht