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Rettern, und als er, nach Verlauf eines Jahres, von dem Feldzuge zurückkehrt, tritt Bertha mit einem Knaben, den sie ihm geschenkt, dem späteren „Karl dem Grossen“, ihm entgegen. Die Hauptmomente dieser Sage hat Bode auf einem in drei Teile zerfallenden Gemälde dargestellt. Das Seitenbild links zeigt die Prinzessin, hingesunken in der Waldwildnis, wo die Diener des Marschalls sie hilflos zurückgelassen. Zu ihren Häupten steht ein Engel, der sie vor einem, ihr Leben bedrohenden Wolfe beschützt. Dieser Seitenflügel ist von ausserordentlicher Schönheit. Auf dem Nebenbilde rechts sehen wir dann Pipin, wie er dem holden, in der Mühle gefundenen Mädchen knieend die Füsse wäscht und in ihr die wahre Gemahlin erkennt. Das grössere Mittelbild endlich führt die Scene vor, wo Pipin mit seinem Heergefolge zu der Mühle wiederkehrt und Bertha ihm, den künftigen Herrscher der Welt auf den Armen tragend, entgegengeht. Das Gemälde ist in allen seinen drei Abteilungen reizend und voll naiver Anmut. Nur die Figur des knieenden Pipin möchte etwas aus dem Tone herausfallen, da sie meines Erachtens nicht ohne einen Anflug von Affektation in ihrer Bewegung ist.

Ein sehr interessantes Bildchen sind die Satyrn, welche einem Hasen in der Campagna nachsetzen, von C. Böheim, einem jungen Manne von ernstem Streben, der sich in Rom der Kunst mit enthusiastischer Liebe hingab und ihr durch einen allzu frühen Tod geraubt wurde. Die Satyrn in ihrer halb tierischen Natur sind mit wahrem Humor dargestellt; das Kolorit kann in seiner saftigen Tiefe an Rubens erinnern, und Böcklin würde nicht unzufrieden sein, das Stück gemalt zu haben.

Einen grossartigen Vorwurf wählte H. Wislicenus, als er die Phantasie, von den Träumen getragen, darzustellen unternahm. Es war gewagt, in unsrer Zeit, in welcher so vielfach der Realismus als Kunstprincip gepredigt wird, ein nur im Reiche der Einbildungskraft lebendes Idealwesen zu verkörpern. Wenn die Alten solchen Wesen, wie dem Sieg, der Hoffnung u. s. w. menschliche Gestalt liehen, so war dieses für sie viel leichter, da dieselben schon im Glauben des Volkes als Gottheiten lebten, oder doch nach Analogie der übrigen Götter und Göttinnen als wirkliche Personen betrachtet wurden. Bei uns verhält es sich hiermit wesentlich anders: wir wissen, dass wir es nur mit Abstraktionen zu thun haben, wenn die Religion, der Glaube u. s. w. uns in der Kunst als Figuren vorgeführt werden. Grosse Maler sind jedoch vor diesem Wagnisse nicht zurückgeschreckt und haben es mit Glück bestanden; ich erinnere nur an Rafaels „Gerechtigkeit“ im Vatikan, an Tizians „Geschichte“ in der Markusbibliothek und an Leonardos „Caritas“, die jetzt verschollen zu sein scheint, aber noch von Rumohr, der sie gesehen haben will, hoch gepriesen wird, so wie auch an die „Caritas“ von Andrea del Sarto. Den Genannten ist Wislicenus mit vielem Talente gefolgt; dass er jede realistische Tendenz von vornherein fern gehalten, versteht sich von selbst. Seine „Phantasie“, ein hohes, ideal geformtes Weib, die Lyra in der Rechten, die Augen begeisterungstrunken nach oben gerichtet, schwebt vor uns wie eine Traumerscheinung, und in den geflügelten Genien, welche sie geschlossenen Auges umkreisen und gen Himmel tragen, sehen wir das unbewusste, aus einer inneren Naturkraft unabhängig vom Willen hervorquellende Walten der Phantasie verbildlicht. In der Zeitung sowohl, wie im Kolorit, hat Wislicenus hier höchst Achtungswertes geleistet.

Derselbe berühmte Violinspieler, der auf dem früher erwähnten Gemälde Steinles auf der Höhe eines Turmes geigend dargestellt ist, erscheint in einem Gemälde von James Marshall: Tartinis Traum, in einer anderen Situation. Eine Anekdote aus dem Leben des Musikers, der, ein früherer Paganini, wegen der erstaunlichen Virtuosität, mit der er sein Instrument zu behandeln wusste, in ganz Europa gefeiert war, erzählt Folgendes. Als der Jüngling Tartini Klosterschüler war, hatte er im Traume eine Erscheinung des Teufels, der ihm eine unendlich schwierige Sonate vorgeigte und dabei mit grinsendem Hohngelächter zu ihm sprach: „Das vermagst du mir nicht nachzumachen!“ Der junge Tartini, der sich schon für einen vollkommenen Violinisten hielt, hatte seitdem keine Ruhe. Immer klang ihm das höllische Tonstück in das Ohr, und zuletzt gelang es ihm, nach jahrelangem Bemühen, die Teufelssonate, oder den sogenannten Trillo del Diavolo, mit gleicher Meisterschaft zu spielen, wie sein satanischer Lehrer. Den Moment, wo der Klosterschüler in unruhigem Schlummer auf dem Lager sich umherwerfend daliegt und Lucifer ihn, unter tollen Grimassen, das Bravourstück hören lässt, führt Marshalls Bild mit der höchsten Lebendigkeit vor. Es gemahnt uns in seinem, mit barockem Humor versetzten Charakter an Hoffmanns Nachtstücke.

Ein begabter Künstler, Ernst Muhr, hat zu meiner Sammlung eine Zigeunerfamilie beigesteuert, ein treffliches Bild, in welchem in hohem Grade das, was man „Stimmung“ zu nennen pflegt, waltet. Es zeigt, dass der Maler bei der Schöpfung desselben ebenso ganz von einer Empfindung ergriffen gewesen ist, wie der lyrische Dichter, wenn er ein Gefühl oder einen empfangenen Eindruck in ein Lied ausströmt. Man wird an Lenaus „Zigeunerromanze“ erinnert. An das Talent dieses Ernst Muhr knüpften sich noch schöne Hoffnungen, als er der Kunst, der er sich mit ganzer Seele hingab, und der Welt gerade in dem Moment entrissen wurde, da ein Sonnenblick des Glückes sein bis dahin trübes und sorgenvolles Leben zu erhellen begann. Lange hatte er um kargen Lohn, und ganz wider seine Neigung, an der Ausführung der Fresken Kaulbachs in Berlin arbeiten müssen – eine seines edlen Talents durchaus unwürdige Aufgabe; sodann, nach München übergesiedelt, hatte er sich selbständigen, mit verdientem Beifalle begrüssten Kompositionen zugewendet und, schwierige äussere Verhältnisse besiegend, eine Geliebte heimgeführt, die er seit Jahren im Herzen getragen; da nahm ihn der unerbittliche Tod hinweg. – Wie viele von den Malern, mit denen ich in der doch verhältnismässig nur kurzen Dauer der letzten zwanzig Jahre in Berührung gekommen, habe ich schon dahinsterben sehen! Oft, wenn ich in meiner Galerie wandere, durchschauert mich ein Gefühl, als ob ich mich auf einem Kirchhofe befände; so viele der Bilder mahnen mich an den Heimgang ihrer Urheber! Ach, und vor einigen, wie vor dieser Zigeunerfamilie Muhrs, kann ich den bitteren Gedanken nicht unterdrücken, dass so manche, von Begeisterung für das Schöne glühende Künstler in der Vollkraft ihres Schaffens in das Grab steigen mussten, ehe sie noch das Ziel ihres ernsten Ringens erreicht, während es zahllosen Alltagsmenschen vergönnt ist, ein fruchtloses Dasein bis in ein hohes Alter fortzuführen!

Platens Ballade „Das Grab im Busento“ hat Moritz von Beckerath zu seinem Gemälde Alarichs Bestattung angeregt. Die nächtliche Scene, wie der tapfere Gotenfürst von seinen Getreuen in das Bett des abgeleiteten Stromes hinabgelassen wird, um dort neben seinen Kriegsrossen bestattet zu werden, ist in Umriss wie Farbe sehr wirkungsvoll wiedergegeben, und die kühne und markige Zeichnung beweist, dass der Künstler mit Erfolg in die Schule des Cornelius gegangen ist, während er im Kolorit sich andere bessere Vorbilder gewählt hat. Ich weiss an dem ganzen Bilde nichts auszusetzen, als dass es allzu dunkel gehalten ist. Es befindet sich an dem hellsten Platze meiner Galerie, der sich auffinden liess; und doch tritt es in all seinen Details nur an sonnigen Tagen vollkommen hervor. Einen Tadel, der bisweilen über diese Bestattung Alarichs ausgesprochen wird, kann ich nicht für gerechtfertigt halten. Man sagt: die Stellung des Gotenkönigs erinnere stark an die des Christus auf der berühmten Kreuzabnahme von Rubens. Wenn dieses wirklich in auffallender Weise stattfindet – worüber sich noch streiten lässt – so stumpft sich doch der daraus abgeleitete Vorwurf ab, wenn man erwägt, dass auch die grössten Maler kein Bedenken getragen haben, Einzelnes aus den Werken