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als ich den grössten Teil meiner Jugend in Frankfurt verlebte, bestand dort ein Kreis von Verehrern Brentanos, die einen wahren Kultus dieses Dichters übten. Ich habe damals oft hören müssen, Brentano sei ein weit grösserer Genius als Goethe. Seine „Gründung von Prag“ wurde als das bedeutendste deutsche Drama gepriesen, und von den „Rosenkranz-Romanzen“, die erst noch im Manuskript vorhanden waren, hiess es, sie überträfen den „Faust“ bei weitem an Tiefe und Grossartigkeit. Ich hatte, nachdem ich dieses überschwängliche, von geistvollen Männern ausgesprochene Lob vernommen, keine Ruhe gehabt, bis ich mir eine Abschrift der Romanzen, die in Frankfurt kursirte, verschafft. Meine gespannte Erwartung war aber in hohem Grade enttäuscht worden. Mag Brentano selbst von der Dichtung gesagt haben, sie sei von einem Dante geschrieben, der den Shakespeare im Leibe gehabt, ich vermag auch gegenwärtig weder von dem Geist des Einen, noch des Andern auch nur eine Spur darin zu entdecken. Sie erscheint mir frostig und gekünstelt, dabei trotz der durchgehenden, mit der Prätension auf Virtuosität angewendeten Assonanzen doch ungelenk in der Form, und dem Inhalte nach so verworren, dass man nach der Lesung einen Schwindel im Kopfe fühlt. Ich habe nie die hohe Anmut von einigen Liedern dieses Dichters verkannt und auch mehrere Erzählungen von ihm immer sehr geschätzt; allein, wie seinen Romanzen, so konnte ich auch seinen „Märchen“ niemals Geschmack abgewinnen; ihre gesuchte Kindlichkeit stösst mich ab. Desto höher muss ich die Zeichnungen stellen, zu denen sie Steinle angeregt haben; in ihnen zeigt er sich als ein unvergleichlicher und wahrhaft grosser Künstler. Eine derselben, von ausserordentlichem Verdienste, darstellend, wie die Geister des Mains in den Rhein ziehen, ist durch den Stich vervielfältigt worden. Mehrere andere, welche dieser nicht nachstehen und in Aquarell ausgeführt sind, waren lange zu Frankfurt im Besitze eines Privatmannes, sind aber jetzt, so viel ich weiss, auf einem Schlosse in abgelegener Gegend Böhmens vergraben. Viel verunglimpft worden sind die Fresken, welche Steinle im Museum der Stadt Köln gemalt hat. Es war ihm aufgegeben worden, in einer Reihe von Bildern die Malergeschichte dieser Stadt vorzuführen. Mir scheint es ein wahres Unglück zu sein, dass die Wenigen, welche in Deutschland das löbliche Bestreben haben, die Kunst zu fördern, gewöhnlich in der Wahl der Aufgaben, welche sie den Künstlern stellen, so übel beraten sind. Die Malergeschichte einer Stadt ist ein Vorwurf, dem ein Meister zwar auch einiges Gute abgewinnen kann, an dem er aber seine glänzendsten Eigenschaften doch nicht zu entfalten vermögen wird. Da war Papst Leo glücklicher, als er dem Rafael auftrug, den Parnass, den Brand im Borgo, die Befreiung des Petrus und den Heliodor zu malen. Dagegen kann man sagen, dass andere moderne Auftraggeber sich in der Wahl ihrer Stoffe noch mehr vergriffen haben, als die Väter der Stadt Köln, indem sie Künstlern ansannen, die Anlegung eines englischen Gartens zu malen oder bildlich darzustellen, wie Fugger den Plan zur Eroberung von Venezuela entwirft. Was nun Steinles Arbeit im genannten Museum betrifft, so glaube ich, dass er aus seinem Gegenstande gemacht hat, was sich daraus machen liess; jedenfalls erkenne ich auf den Fresken viele Einzelheiten, welche den sinnigen, seelenvollen Künstler verraten.

Gerade als er mit der Vollendung dieses umfangreichen Freskencyklus beschäftigt war, suchte ich den längst von mir innig verehrten Mann in Köln auf und drang in ihn, durch ein grösseres malerisches Unternehmen meiner aufblühenden Galerie einen noch höheren Schmuck zu verleihen. Da Steinle indes durch anderweitige Aufträge schon auf Jahre hinaus in Anspruch