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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Der Turmbläserbrunnen in Bremen.
Nach einer Photographie von Hans Breuer in Hamburg.

Der Turmbläserbrunnen in Bremen. (Mit Abbildung.) Die alte Hansestadt Bremen ist seit einiger Zeit um eine künstlerische Zierde, wie sie ähnlich ihre altersgrauen Patrizierhäuser an ihren Renaissancefassaden in oft verschwenderischer Fülle zeigen, reicher geworden. Zugleich ist in diesem neuen Schmuck eine aus alten Tagen auf uns gekommene und noch heute gern geübte Sitte verkörpert. Allsonntäglich vormittags spielte und spielt man auch heute noch vom Glockenstuhl der Domtürme herab einen feierlichen Choral, unter dessen Klängen die Kirchenbesucher das alte Gotteshaus verlassen, und in dem sogenannten Turmbläserbrunnen, den man jetzt enthüllt hat, ist diese hübsche Sitte in Stein und Bronze festgehalten worden. In der Ecke, die von den Domtürmen und der Fassade des Künstlervereinshauses gebildet wird, hat der Brunnen seinen Platz erhalten; er steht also in der Nähe des Marktplatzes, wo die alten Renaissancehäuser ihre zierlichen Giebel emporstrecken, wo das ehrwürdige Rathaus mit seinem prächtigen Figurenausschmuck an die kunstfrohe Zeit des späten Mittelalters erinnert. Auf einem turmartigen Unterbau aus Sandstein, der sich in seinen Formen an den gotischen Stil des Doms anlehnt, erhebt sich eine Bronzegruppe, drei Turmbläser darstellend. Jeder einzelne von ihnen ist vom Künstler, Max Dennert aus Friedeberg in der Neumark, individuell und gewissermaßen als Träger und Vertreter einer Spezialität unter den Musikanten aufgefaßt. In der Tracht des Rattenfängers sind die drei fahrenden Leute in ungezwungenster Haltung hingestellt und blasen ihr Stücklein ganz offenbar mit der Tendenz: wenn es nur laut klingt. Viel Harmonie würde, wenn sie ihren alten Hörnern und Pfeifen wirkliche Töne entlocken könnten, wohl nicht zu stande kommen, und glücklicherweise blasen die modernen lebenden Turmbläser ihre Choräle nach anderen Prinzipien als diese drei Kumpane. Sonst würde die alte Sitte heute wohl kaum noch so gute Freunde haben, wie es der Stifter des Brunnens, Franz Schütte, ist, einer der bekanntesten bremischen Großkaufleute, der schon oft, wenn es galt, künstlerische oder gemeinnützige Zwecke zu fördern, eine offene Hand gezeigt hat.


Schlittenrennen auf der Theresienwiese bei München. (Zu dem Bilde S. 857.) Wenn der Winter die Wege mit einer Eisdecke überzieht und auf diese eine tüchtige Portion Schnee streut, dann haben wir, was so viele ersehnen, eine richtige Schlittenbahn. So ein Ausflug zu Schlitten, wenn man warm verpackt drinnen sitzt und ein paar flinke Rosse auf der glatten Bahn hurtig ausgreifen, ist wahrlich eines der schönsten Wintervergnügen. Die Leichtigkeit, mit welcher die Pferde ein solches Gefährte dahinziehen, legt aber auch die Versuchung nahe, die Schnelligkeit der Zugtiere möglichst zu erproben. Dies hat in Altbayern zum Bau einer ganz leichten Art von Schlitten geführt, die von einem Pferde gezogen und von einem Insassen besetzt werden. Man heißt sie „Goaßeln“ (Geißen). Von alters her sind auf dem Land in Oberbayern Wettrennen mit ihnen beliebt und der Brauch hat auch bei den städtischen Pferdebesitzeru Anklang gefunden. Wenn es die Schneeverhältnisse erlauben, so bildet sich alljährlich auch in München ein Konsortium, das auf der Theresienwiese ein solches Schlittenrennen veranstaltet. Das Schauspiel zieht viele Zuschauer an, unter denen auch die Landbevölkerung zahlreich vertreten ist.

Nur Trabfahren ist gestattet; wie der Wind fliegen dennoch die Renner dahin. Freilich fehlt es auch nicht an Entgleisungen, und wenn einer der Teilnehmer bei einer Kurve oder infolge einer Unebenheit der Fahrbahn aus dem „Sattel“ fliegt, so ist das ein Ereignis, das von den Zuschauern mit heller Freude begrüßt wird. Zudem ist hier dem Publikum mehr als bei einer sonstigen ähnlichen Gelegenheit gestattet, sich aktiv an dem Vorgang zu beteiligen. „Laß nöt aus, Hartl!“ – „Hüh! Schimmel!“ – „Laß’n schiaß’n, Metzga!“ – So tönt es aus den Reihen der Zuschauer, und dieses Gebahren verleiht dem ganzen Vorgang den Charakter einer originellen Volksbelustigung.

B. R.


Spazierengehen außerhalb der Stadtluft. Die Gefahren der Großstadtluft für die Gesundheit sind so wohl bekannt, daß jeder Großstadtbewohner durch mehr oder weniger fleißiges Spazierengehen außerhalb der Stadt seine Gesundheit zu stärken sucht. Der Genuß reiner Luft ist aber für solche besonders unerläßlich, die an verschiedenen Erkrankungen der Atmungsorgane leiden. Nicht immer befinden wir uns, sobald wir das Häusermeer der Stadt verlassen, in wirklich reiner Luft. Unsere Großstädte sind in einen wahren Rauchmantel gehüllt, der von dem Winde bewegt wird. Betrachten wir ihn aus der Ferne, so können wir ohne weiteres sehen, wie er sich mit der Windrichtung über die Grenzen der Stadt oft kilometerweit ausbreitet. Weht nun der Wind von Osten und machen wir einen Spaziergang in die westliche Umgebung der Stadt, so gelangen wir keineswegs in wirklich gesunde, reine Luft; wir wandern vielmehr immer in den Rauch- und Dunstmassen. In diesem Falle ist es ratsam, den Weg nach Osten einzuschlagen, denn dort erreichen wir am schnellsten die frische Landluft. Diese zwar jedem bekannte, aber nicht genügend beachtete Thatsache wird von dem Realgymnasiallehrer a. D. Gustav Nau in dem Büchlein „Gesundheitsgemäßes Spazierengehen“ (Duncker & Humblot, Leipzig) erörtert. Seine Ausführungen gipfeln in der für die Bewohner unsrer Groß- und Industriestädte beherzigenswerten Mahnung: „Wer recht in Freuden wandern will, der geh’ dem Wind entgegen“.

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Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.

Soeben erschienen:

Das Weihnachtsbuch. Allerlei Weihnachtliches in Vers und Prosa

von Victor Blüthgen.

Gross-Oktav. Mit zahlreichen Illustrationen. Preis elegant gebunden 5 Mark.

Victor Blüthgen, dessen Name schon lange im deutschen Hause einen guten Klang hat, bietet in dieser Sammlung erlesener Weihnachts-Erzählungen, -Märchen und -Gedichte ein Werk, das von einem zarten dichterischen Hauch, wirklichem Weihnachtsduft, übergossen und von Gemütswärme erfüllt ist. Der Inhalt ist abwechselungsreich. Teils sind es rührende, teils strahlend heitere Geschichten und Gedichte, von denen einige schon den Beifall der Gartenlaubeleser gefunden haben. Des Dichters Absicht war, daraus ein festliches Geschenkwerk zu binden wie zum Kranze, ein weihnachtliches Erbauungsbuch für die Familie, für jung und alt, und eine Fundgrube für Vorlesungen in der Weihnachtszeit.

Das eigenartige in festlichem Gewande erscheinende Buch wird jedem Weihnachtstisch zur Zierde gereichen.

Zu beziehen durch die meisten Buchhandlungen.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. 0Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Juliun Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 868. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0868.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2019)