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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Inzwischen trat der französische Diplomat Ferdinand de Lesseps für den Bau des Kanals ein; es gelang ihm, eine Gesellschaft mit über 200 Millionen Franken Kapital zu gründen und von dem Vizekönig im Jahre 1855 die Konzessionsurkunde zu erlangen. Negrelli sollte die technische Oberleitung beim Bau übernehmen. Eine schwere Krankheit befiel indessen den thatkräftigen Mann. Im Oktober 1858 starb Negrelli in Wien.

Kurz darauf, am 25. April 1859, erfolgte zu Port Said der erste Spatenstich zu dem großen Kulturwerke, dessen Grundzüge er vorgezeichuet hatte.

Das neue Reichspostgebäude zu Straßburg.

Die „Deutsche Brücke“ in Bergen. (Zu dem Bilde Seite 865.) Für die deutschen Touristen, die auf ihrer Nordlandreise Bergen besuchen, gilt seit jeher die „Deutsche Brücke“ als eine der anziehendsten Sehenswürdigkeiten der volkreichen norwegischen Handelsstadt; denn lebendig wird an dieser Stätte die Erinnerung an die weitverzweigten Verbindungen und die einflußreiche Macht der einstigen Hansa. Mit dem Namen „Tydskebruggen“ wird eine weite Flucht altertümlicher Häuser bezeichnet, die im Nordosten des Hafens Vaag liegen. „Brygge“ heißt im Norwegischen ein Ausbau im Meere und „Deutscher Quai“ wäre wohl die richtigere Uebersetzung. Alle Häuser, die auf unserem Bilde rechts zu sehen sind, zeigen eine schmale und hohe Front; sie besitzen aber Höfe von bedeutender Tiefe, die mit einem Gewirr von Speichern, Treppen, Leitern und Krahnen angefüllt sind. Die Bauart der Häuser ist durchweg altnorwegisch und die Höfe waren auch ursprünglich im Besitz norwegischer Familien und Klöster. Handelsbeziehungen zwischen Bergen und den deutschen Seestädten bestanden schon im 13. Jahrhundert. Sie nahmen mit der Zeit einen kräftigen Aufschwung, und um das Jahr 1340 gründete in Bergen die Hansa eines ihrer „Kontore“, eine ausländische Handelsfaktorei, die mit besonderen Privilegien ausgezeichnet war. Die Rührigkeit der Hanseaten hatte bald so bedeutende Erfolge errungen, daß der gesamte Handel des nördlichen und westlichen Norwegens von dem „Kontor“ beherrscht wurde. Die betreffenden Höfe gingen allmählich in den deutschen Besitz über. In dem ersten Stockwerk der Häuser befanden sich Räume für Warenlager und Gerätschaften; in dem zweiten lagen die Kanzlei und die Privatzimmer des Hausherrn sowie der Speisesaal, und in dem dritten schliefen die Knechte. Die Zahl der Deutschen in Bergen belief sich zu Zeiten auf etwa 3000. Nach der Auflösung der Hansa im Jahre 1630 ging das Ansehen des deutschen Kontors mehr und mehr herab, und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde die Faktorei aufgelöst. Ursprünglich belief sich die Zahl der deutschen Höfe in Bergen auf 21. Durch wiederholte Brände wurden sie zerstört, aber immer genau nach altem Muster wieder hergestellt. Heute stehen noch 16 Häuser da, aber ihre Tage sind gezählt. Eine Gesellschaft hat den größten Teil der „Deutschen Brücke“ erworben, sie beabsichtigt, die alten Häuser niederzulegen und an ihrer Stelle moderne Bauten zu errichten. *      

Das neue Reichspostgebäude in Straßburg, welches am 12. November in Gegenwart des Staatssekretärs von Podbielski feierlich eröffnet wurde, ist ein Prachtbau von ungewöhnlicher Ausdehnung. Er wurde auf einem zwischen Alt- und Neustadt freigelegenen unregelmäßigen Viereck von rund 11OOO qm aufgeführt, die kleinste Fassade ist 87, die größte 117 m lang, der Grundriß des mehrgeschossig überbauten Raumes umfaßt über 500 qm. Wenn auch die äußere Erscheinung des Baues den Charakter seiner amtlichen, dem Verkehr dienenden Bestimmung keineswegs verleugnet, so verleiht doch die in gotischem Stil erfolgte Anlage und Ausschmückung der Fassaden, Giebel und Ecktreppentürme dem Ganzen eine imposante Wirkung. Besonders malerisch ist der große Jnnenhof mit dem massiven Fernsprechturm, den kleinen Treppentürmchen, der langgestreckten Rampe und den Vorhallen für die Postwagen. Der Plan zu dem Neubau, für dessen Fassaden Vogesensandstein zur Verwendung kam, ist unter Oberleitung des Geheimrats Hake im Reichspostamt aufgestellt worden; die Ausführung wurde geleitet von Postbauinspektor Buddeberg unter Oberaufsicht des Postbaurats Böttcher. Die sechs Kaiserstandbilder, welche den Mittelbau der Hauptfassade an der Königstraße zwischen den großen gotischen Fenstern schmücken, sind aus der Hand des Bildhauers Johannes Rieger in Straßburg hervorgegangen.

Das Denkmal Albrechts des Bären, welches vor kurzem auf dem kleinen Ziegenberge bei Ballenstedt feierlich enthüllt worden ist, hat auf dem Sockel die Inschrift: „Zum ehrenden Gedächtnisse Kaiser Wilhelms des Großen – Zum Preise des wiedererstandenen Deutschen Reiches – Zum Ruhme des Anhaltischen Herzogshauses – Und seines großen Ahnherrn.“

Denkmal Albrecht des Bären von Ballenstedt.

Der große Ahnherr des anhaltischen Herzogshauses, Albrecht der Bär, der ums Jahr 1100 in Ballenstedt als Sohn des Grafen Otto von Ballenstedt und Aschersleben zur Welt kam, wurde unter Kaiser Konrad III Markgraf von Brandenburg. Nachdem er in blutigem Kriege die Wenden unterworfen hatte, berief er in die verödeten Landstriche an der Elbe, Havel und Spree Ansiedler vom Rhein, welche neben anderen Städten der Mark auch Berlin und Kölln gründeten. So hat Albrecht der Bär die Mark Brandenburg germanisiert und dem Hohenzollernhause den Thron gerüstet, über welchem jetzt die deutsche Kaiserkrone schwebt. Diese Beziehung soll das Denkmal feiern, welche das überlebensgroße, in Kupfer getriebene Standbild des kühnen Askaniers kampfgerüstet zeigt, auf dem Haupt die kreuzgeschmückte Ritterhaube. Der granitne Sockel trägt an der Vorderseite die Tafel mit der angegebenen Inschrift. Auf der rechten und linken Seite finden sich die Medaillonbilder Kaiser Wilhelms I und des jetzt regierenden Herzogs Friedrich von Anhalt. Ein drittes Medaillon, auf der Rückseite des Sockels, zeigt vereinigt die Bildnisse von Bismarck, Moltke und Roon. Das Denkmal, ein Werk des Bildhauers Arthur Schulz in Berlin, zeichnet sich durch kraftvolle Einfachheit aus. Von dem Denkmalsplatz, der von Tannenwald umsäumt ist, hat man einen schönen Blick auf das Schloß und die Stadt Ballenstedt.

Eine „Zeichenschule“ zum Selbstunterricht. Im praktischen, besonders auch im gewerblichen Leben erlangt die Kunst, Zeichnungen zu verstehen und selbst zeichnen zu können, eine immer größere Wichtigkeit. In der That, wie oft leistet die künstlerisch unvollkommene Skizze eines Gegenstandes bessere Dienste als die wortreichste Beschreibung, wie unabhängig ist der Arbeiter, der ein Werk aus einer Zeichenvorlage konstruiert, im Vergleich mit dem, der auf die mündliche Anleitung des Meisters angewiesen ist. Darum machen wir an dieser Stelle gern auf ein Buchunternehmen aufmerksam, das uns sehr geeignet erscheint, junge Leute, die eines systematischen Zeichenunterrichts in einer Lehranstalt entbehren, durch Selbstunterricht in der schönen und wichtigen Kunst des Zeichnens zu fördern. Es ist die kürzlich im Verlag von Otto Maier in Ravensburg erschienene „Zeichenschule“ von G. Conz, Professor am K. Katharinenstift in Stuttgart, eine „Anleitung zum Selbstnnterricht“ mit einer Sammlung von Vorlagen für Anfänger und 80 Illustrationen. In dem Werk, das auch in sieben Lieferungen bezogen werden kann, ergreift ein erfahrener, künstlerisch gebildeter Lehrer, der sich über die Erfolge seines Unterrichts und seiner Methode nicht mehr auszuweisen hat, das Wort, um in überzeugender, schlicht und durchsichtig gehaltener Darstellung die Mittel und Wege zu zeigen, auf welchen Schüler durch Selbstunterricht zu der für das Leben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0866.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2023)