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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

diese Einwanderer schon etwa die Hälfte der 120 000 Köpfe zählenden weißen Bevölkerung der Republik aus. Man nennt diese Fremden, wie schon erwähnt, Uitlanders oder Ausländer; sie wohnten besonders zahlreich in den Goldbezirken um Barberton im Osten (in dem De-Kaapgebirge) und um Johannesburg, wo neun Zehntel der ganzen Goldmasse Transvaals hervorgebracht werden. Diese Ausländer durften gegen Entrichtung der Steuern nach Belieben Geschäfte treiben, genossen aber keine politischen Rechte. Bis 1893 war die Erlangung des vollen Bürgerrechts bei einer Ansässigkeit von 14 Jahren möglich gewesen; nach Abfluß dieser Zeit hatte man selbst das aktive und passive Wahlrecht zu dem 1890 eingerichteten ersten Volksrat erworben, welcher thatsächlich alle Macht ausübte. Der zweite Volksrat, zu dem der Zutritt leichter war, hat fast nur den Schein von Rechten. 1893 wurde aber aus Sorge vor einem allmählichen Ueberwiegen der Uitlanders gesetzlich bestimmt, daß das volle Bürgerrecht an Fremde überhaupt nicht mehr erteilt werden dürfe. Die Uitlanders hatten das Gefühl, daß sie durch ihre Arbeit und ihre Steuern die Republik reich machten; sie hielten es also auch für billig, daß sie an der Regierung des Landes Teil bekämen. Das wäre wohl auch schließlich nach dem natürlichen Lauf der Dinge von selbst so gekommen; der alte kluge Krüger, der seit 1882 immer wieder zum Präsidenten gewählt ward, kam mehr und mehr zur Einsicht, daß Transvaal seine bäuerliche Abgeschlossenheit auf die Dauer nicht behaupten könne; er ließ es also zu, daß die Bahnen vom Kap durch den Oranjefreistaat nach Transvaal fortgesetzt wurden, und förderte selbst den Bau der Delagoabahn, welche von einer niederländischen Gesellschaft vornehmlich mit deutschem Gelde (das die Berliner Handelsgesellschaft darlieh) hergestellt und im Jahr 1895 dem Betrieb übergeben wurde. Was nun aber das Entgegenkommen Krügers gegen die Forderungen der Uitlanders erschwerte, was wesentlich an dem – wohl gegen Krügers Willen beschlossenen – Gesetz von 1893 schuld war, das war das Verhalten des englischen Elements unter den Ausländern. Diese Engländer hatten kein Gefühl dafür, daß, wie dies der unparteiische englische Schriftsteller Reginald Statham in seinem (1897 in Berlin bei Springer auch in deutscher Sprache erschienenen) Buche „Südafrika wie es ist“ S. 83 selbst ausspricht, „es den Thaten und Leiden der ausgewanderten Buren zu danken ist, wenn es heute ein wenigstens teilweise zivilisiertes südafrikanisches Festland giebt“. Das begreifen in ihrer Art selbst die eingeborenen Barotse besser, welche – in einer Entfernung von 3500 Kilometern vom Kap – vor den Holländern solche Achtung haben, daß sie das Holländische für „die große Sprache“ der Weißen schlechtweg ansehen, oder auch jene 10 000 mohammedanischen Malayen der Kapstadt, die im Gefühl des Wertes und der Ueberlegenheit der holländischen Zivilisation sogar unter sich die Burenmundart, das „Afrikansch“, reden, das nach dem Vorbild der englischen Sprache durch Vereinfachung von Formenlehre und Syntax eine sozusagen handlichere, universeller brauchbare Gestalt des Holländischen darstellt. Die englischen Uitlanders hatten also für diese Kulturarbeit auf bäuerlicher Grundlage gar kein Verständnis; für sie fiel die Kultur überhaupt mit der industriellen Kultur zusammen. Transvaal war ihnen auch kein Vaterland, an dem ihr Herz hing, sondern einfach ein Land, mit dessen erst entdeckten Schätzen sie alsbald ihre Taschen füllen, über das sie also unbedingt verfügen wollten; sie wollten den Buren den Fuß auf den Nacken setzen und das Gold des Landes ohne Abzug durch Steuern haben. Dazu bedurfte es aber einer Revolution; durch sie allein konnte man es dahin bringen, daß den Ausländern sofort das Stimmrecht erteilt und eine aus ihnen gebildete Regierung errichtet wurde. Im Jahre 1895 entstand in Johannesburg ein revolutionärer Verein, die „National-Union“, die eine förmliche Verschwörung gegen die Burenregierung anzettelte. An ihrer Spitze standen Rhodes’ Geschäftsfreunde; man schaffte, unter den Minengeräten versteckt, 40 000 Gewehre in die Stadt, und Rhodes gab (insgeheim und, wie fest geglaubt wird, mit dem englischen Staatssekretär für die Kolonien, Chamberlain, im Einverständnis, oder doch für den Fall des Gelingens seines Schutzes sicher) den Befehl, daß 800 Mann Soldaten der „Bevorrechteten Gesellschaft“ mit 12 Kanonen unter Anführung des Dr. Jameson in Transvaal einbrechen und sich mit den Johannesburger Verschwörern vereinigen sollten.

Ob recht, ob unrecht,“ so sagt der britische Reisende Selous, „es ist ein britischer Charakterzug, Besitz von jedem Lande zu ergreifen, das wir des Besitzes wert erachten, und dieser Seeräuber- oder Wikingerinstinkt ist eine angeerbte Tugend, die uns aus dem Blut unserer nordischen Vorfahren überkommen

Parlamentsgebäude und Kirche in Pretoria.

Spezialkarte des südwestlichen Kriegsschauplatzes in Südafrika.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 836_k_3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0836_k_3.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2018)