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damit Betschuanaland den Briten überlassen. Swasiland dagegen fiel 1893 an die Republik.

Wenn man in Transvaal an diese Verständigung die Hoffnung knüpfte, daß der hergestellte Staat fernerhin von England werde in Ruhe gelassen werden, so hat sich diese Hoffnung freilich nicht erfüllt. Den Anstoß zu neuen Wirren gab der reißend sich entwickelnde Abbau von Gold im Witwatersrand, westlich von Johannesburg; die Goldförderung von Transvaal betrug 1896 nicht weniger als 2,5 Millionen Unzen, blieb also hinter der amerikanischen (mit 2,6 Millionen Unzen) nur wenig zurück und übertraf die australische (mit 2,2 Millionen Unzen) beträchtlich: mit anderen Worten, Transvaal ward – seinen verhältnismäßig kleinen Umfang in Betracht gezogen – das erste Goldland der Welt. Im Jahre 1894 betrugen die Einnahmen des Staats, der früher so schwer mit Geldnot gekämpft hatte, schon über 44 Millionen Mark, wovon 43% oder 19 Millionen aus den Steuern der Goldfelderindustrie – für ihre Zulassung und für das ihr nötige Dynamit – kamen; die Ausgaben beliefen sich auf 34 Millionen. Wenn man so den großen wirtschaftlichen Umschwung in Transvaal zwischen 1884 und 1894 bedenkt, so wird man an das Wort eines Reisenden erinnert: „In Südafrika ist immer entweder Fest oder Hungersnot.“ Das goldreiche Land erregte natürlich die Begierde aller Großspekulanten, als deren größter Cecil Rhodes zu betrachten ist. Dieser Mann war 1853 in Bishop-Stortford in der Grafschaft Hertford als Sohn eines Predigers geboren, ging 1870 mittellos nach dem Kap und ward erst Landwirt, dann Diamantengräber in Kimberley. Hier gelang es ihm, 1881 fast alle kleineren Grubengesellschasten zu der gewaltigen De Beers-Company zu verschmelzen, die über ein Kapital von gegen 90 Millionen Mark verfügte und im Durchschnitt in guten Jahren 35 bis 40 Millionen Mark – manchmal sogar das Doppelte – verdiente. So ward Rhodes ein reicher Mann, und er brachte es bald dahin, auch eine politische Rolle zu spielen, wozu er freilich oft seltsame Wege wählte.

Im Zusammenhang nämlich mit der brutalen, von London aus in Scene gesetzten Vergewaltigung der Südafrikanischen Republik war ein Erwachen erstens der holländischen Bevölkerung in ganz Südafrika und zweitens ein Erwachen des Geistes der Selbständigkeit überhaupt erfolgt; es bildete sich 1879 in der Hauptstadt des Oranjefreistaats, in Bloemfontein, der sogenannte „Afrikander-Bond“ (Afrikanerbund), der sehr bald in der Kapkolonie – nicht aber in dem gegen alles Auswärtige nicht ohne Grund mißtrauischen Transvaal – großen Anhang fand und dessen Ziel war, Südafrika vor den Eingriffen, die von London ausgehen möchten, zu bewahren, also namentlich den „imperialistischen“ Bestrebungen der Engländer entgegenzutreten, die auf feste Vereinigung der Kolonien mit dem Mutterland gerichtet waren. Ein Gegensatz gegen England an sich oder gar der Gedanke einer völligen Trennung von ihm war damit nicht gegeben. Auch die Afrikander wußten den Wert des Schutzes der englischen Flotte für die weitgedehnten Küsten Südafrikas, die sonst leicht auch anderen Mächten verlockend erscheinen mochten, sehr wohl zu schätzen; sie wendeten sich nur gegen eine in England mächtige politische Richtung (gegen die „Jingos“). Im Bond waren neben den Holl[ä]ndern, die in Südafrika etwa doppelt so zahlreich sind als die Engländer, doch auch nicht wenige englische Elemente, und die Losung des Bundes war deshalb: gleiche Berücksichtigung beider Nationen – was bald zur Zulassung der holländischen Sprache im Parlament der Kapkolonie und vor deren Gerichten führte – und so Schaffung eines „südafrikanischen Nationalgefühls“, das in dem Schlachtruf gipfelte: Südafrika den Südafrikanern! Die Leiter des Bundes sind zur Zeit Schreiner (der jetzige Ministerpräsident der Kapkolonie) und Jan Hendrik Hofmeyr.

Cecil Rhodes verstand es nun, mit dieser mächtigen Partei so zu kokettieren, daß er sich mit ihrer Hilfe 1890 zum Ministerpräsidenten aufschwang; er schien der Ansicht zu huldigen, daß überall im englischen Weltreich die Völker ihr Geschick selbst bestimmen sollten – an die irische Nationalpartei unter Parnell soll er einmal einen Agitationsbeitrag von 200 000 Mark gesandt haben –, daß aber der Zusammenhang mit England als Mutter- und Schutzmacht doch nicht aufgegeben werden sollte. Ueber seine letzten Ziele herrscht freilich auch unter denen, die ihn genauer kennen, Meinungsverschiedenheit; aber das mindestens, daß sie nicht bloß auf rücksichtslosen Gelderwerb ausgehen, sondern daß er auch von politischem Ehrgei[z] getrieben wird, gestehen selbst seine Feinde zu. Jedenfalls machte er als Minister sich daran, ganz Südafrika – womöglich unter Durchkreuzung der sich eben entwickelnden deutschen Kolonialbestrebungen – bis hinauf zu den großen Seen in englischen Besitz zu nehmen; er gedachte wohl, sich daselbst noch größere Reichtümer zu sammeln und auf diese gestützt dann der leitende Mann vom Kap bis zum Aequator zu werden. Im April 1889 gründete er nach dem Muster der mächtigen Ostindischen Compagnie die „Britisch-südafrikanische bevorrechtete Gesellschaft“ (Chartered Company, von charter = privilegieren, bevorrechten), welche von der Königin durch Freibrief das Recht erhielt, in dem von dem Matabelekönig Lobengula gegen 3000 Mark bar Geld, 10 000 Gewehre und einen kleinen Dampfer abgetretenen Maschonaland Handelsgeschäfte zu treiben, Bergwerke, Posten, Eisenbahnen und Telegraphen anzulegen, überhaupt nach Belieben zu kolonisieren, Steuern zu erheben und Recht zu sprechen. Mit erstaunlicher Thatkraft hat Rhodes sodann in diesem weiten Lande Bahnen und Telegraphen angelegt, mehrere Niederlassungen gegründet und wenigstens äußerlich die europäische Herrschaft daselbst aufgerichtet. Im Jahr 1893 wurde durch einen der rechtswidrigsten Kriege, die jemals unternommen worden sind, Lobengula auch aus seinem übrigen Reiche verjagt und sein Volk durch Maximkanonen und Repetiergewehre großenteils abgeschlachtet; er selbst starb auf der Flucht. Da aber alle diese Länder nicht den erhofften klingenden Gewinn einbrachten[,] so warf Rhodes sein Augenmerk auf die von ihm und von England unabhängige Südafrikanische Republik[,] die ohne Frage eine sehr wertvolle Beute darstellte. Er gedachte sie zu unterwerfen und die Witwatersgoldwerke dann ebenso zu beherrschen wie die Diamantfelder von Kimberley. Wie gewöhnlich durchdrangen sich in ihm auch hier wieder persönliche und allgemeine Tendenzen, Habsucht und Herrschgier. Bei seinen Absichten kam ihm die in der Republik eingetretene Verschiebung in den Bevölkerungsverhältnissen zu statten. Mehr und mehr trat neben das alteingesessene, an Viehzucht und Ackerbau festhaltende Burentum eine zweite – industrielle und handeltreibende – Bevölkerungsschicht von fremder, großenteils englischer Herkun[ft;] doch waren in ihr auch Deutsche, Franzosen, Skandinavie[r,] Italiener, Russen, Amerikaner vertreten. Im Jahre 1890 machten

Das Haus des Volksrats in Bloemfontein.     Das Haus des Präsidenten in Bloemfontein.

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