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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Richtungen wandern. Das sind die Jnduktionsströme!

Fig. 4.0 Das Marconihaus und die Station
bei Kap South-Foreland.

Der Induktionsapparat, der die Jnduktionsströme erzeugt, steht, wie unsere Figur 1 zeigt, durch zwei Drähte mit dem Hertz’schen Oscillator in Verbindung. Der Oscillator baut sich auf zwei Glasstützen auf, die je einen Metalldraht tragen. Dort, wo die Metalldrähte sich gegenüberstehen, sind kleine blank geputzte Messingkugeln angebracht. Beginnt der Induktionsapparat sein Spiel, dann treten zwischen den Kugeln weiße, zackige Funken hervor, die mit hartem Knall vergehen. Sie stellen den Quell der elektrischen Wellen dar, die sich nach allen Richtungen des Raumes ausbreiten.

Die Wellen der Luft, die den Klang der Musik übertragen, erkennen wir mittels unseres Ohres; die Lichtwellen nimmt unser Auge wahr. Zur Erkennung der elektrischen Wellen hat die Natur dem Menschen kein Organ verliehen; sie verlaufen unsichtbar und unhörbar im Raume. Es bedurfte des höchsten Scharfsinnes und der bewunderungswürdigsten Erfinderkunst, um ein solches Organ, also gleichsam ein elektrisches Auge, künstlich zu schaffen.

Dem elektrischen Organ zur Wahrnehmung der Wellen, welches man in der Wellentelegraphie verwendet, liegt eine merkwürdige Thatsache zu Grunde. Der französische Physiker Branly fand nämlich, daß ein elektrischer Strom nicht fähig ist, ein Metallpulver zu durchdringen, das man in seinen Weg eingeschaltet hat; das Pulver wirkt wie ein Nichtleiter. Treffen aber elektrische Wellen auf das Metallpulver, dann schließen sich sofort die Teilchen aneinander, und der Strom vermag wiederum zu zirkulieren. Der Engländer Oliver Lodge nannte diese Vorrichtung „Kohärer“ (vergl. Fig. 2), weil die Teilchen sich in ihr kohärieren oder anziehen.

Der Oscillator und der Kohärer sind die beiden Hauptapparate, die der Wellentelegraphie zu Grunde liegen. Der Oscillator erzeugt die Wellensignale; der Kohärer zeigt ihre Gegenwart an. Mit ihrer Hilfe kann man in der That Depeschen befördern und sie mit den bekannten Punkt- und Strichzeichen des Morsealphabets niederschreiben.

Wir wollen an der Hand unserer Abbildungen die Anordnung der Wellentelegraphie hier wiedergeben. Beim Studium solcher Uebersichten befindet man sich etwa in der gleichen Lage wie der Hörer eines musikalischen Kunstwerkes, der erst nach genauer Einsicht in die Partitur ganz in die Schönheiten des Werkes einzudringen vermag.

In den Abbildungen Fig. 1 und 2 erblicken wir die Stationen, an denen die Depeschen aufgegeben und empfangen werden.

Drückt man in der Aufgabestation den Telegraphenschlüssel nieder, dann bilden sich zwischen den Kugeln des Oscillators, den wir oben beschrieben, die elektrischen Wellen, die sich nach allen Richtungen hin verzweigen. Gelangen sie auf ihrer Wanderung zur Empfangsstation, so rufen sie, vermöge ihrer eigenartigen Wirkung, die sie auf den Kohärer ausüben, in dem geschlossenen Drahte einen Strom hervor. Dieser erregt einen Elektromagneten und befähigt den Morseapparat, seine Schuldigkeit zu thun. Ein Nebenschluß belebt zugleich einen kleinen Hammer, der sofort wiederum die Metallteilchen des Kohärers durcheinander schüttelt und den Strom unterbricht. Es bedarf neuer Wellen, um von neuem das Spiel einzuleiten.

Fig. 5.0 Die Station in Boulogne.

Schon um die Mitte unseres Jahrzehnts wurde von mehreren Elektrotechnikern mit ähnlichen Vorrichtungen telegraphiert. Wir nennen nur Slaby in Berlin und Lodge. Es gelang ihnen aber ebenfalls nicht, die Signale über weitere Strecken als etwa fünfzig Meter zu senden. Daß man imstande ist, mit Hertz’schen Wellen über viele Kilometer einen wirklichen telegraphischen Verkehr einzurichten, das ist das ausschließliche Verdienst Marconis, über den die „Gartenlaube“ bereits im Jahrgang 1897, S. 580, kurz berichtete. Guglielmo Marconi wurde am 25. April 1874 zu Griffone bei Bologna geboren. Sein Vater ist ein Italiener, seine Mutter eine Engländerin. Schon sehr früh, in seinen Knabenjahren, beschäftigte er sich mit Vorliebe mit physikalischen Experimenten. Er vertiefte seine elektrischen und elektrotechnischen Kenntnisse vorzüglich durch die Vorträge des Professors Righi. Seit 1892 hat er sich dann mit der drahtlosen Telegraphie beschäftigt.

Es war ein äußerst glücklicher Gedanke von Marconi, daß er sich, nachdem seine Versuche eine gewisse Reife erlangt hatten, an Mister Preece, den Chef der englischen Telegraphenverwaltung, wandte; denn seine Versuche mußten mit den größten Mitteln, wenn sie Erfolg haben sollten, durchgeführt werden. Auf die Einladung von Preece kam Marconi nach England; und dort hat sich die Wellentelegraphie zur heutigen Vollkommenheit entwickelt.

Als Marconi den englischen Boden betrat, hatte er zunächst ein sonderbares Abenteuer zu bestehen. Seine Instrumente

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0765.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)