Seite:Die Gartenlaube (1899) 0726.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

von Meran zum Sandhofe an, wo zwei Stunden später die Ankunft erfolgte. Bereits um 8 Uhr hatte der Fürstbischof von Brixen die Einweihung der Gedächtniskapelle vorgenommen.

Die auf unserer Abbildung rechts sichtbare Kapelle ist ein romanischer Centralbau aus behauenen Steinen, über den sich in der Mitte der kräftige Turm erhebt. Das Innere ziert ein einfacher Steinaltar mit einer Herz Jesu-Statue vom Tiroler Bildhauer Trenkwalder. Die Wände decken historische Gemälde von Edmund v. Wörndle, die Dekorationsmalerei ist von Josef Pattis. Nur von den Seiten, durch die zwölf Fenster, fällt Licht in den Raum, und zum gründlichen Beschauen der Bilder ist es fast nötig, eine Früh- und eine Nachmittagsstunde zu wählen, da das Licht sich selbstverständlich nach dem Stande der Sonne ungleichmäßig verteilt. Diese sehenswerten und besonders für jeden Verehrer Hofers hochinteressanten Gemälde finden eine eingehende Besprechung in der zum Feste erschienenen Schrift von Alois Menghin: „Tirols Ruhmesblatt in der Weltgeschichte“ (bei C. Jandl, Meran), ein wertvolles illustriertes Büchlein, das jedem Freunde Tirols Freude machen wird.

Die Heldenthaten vom Jahre 1809 sind freilich weltbekannt, und was Andreas Hofer in jenen Kämpfen für sein Vaterland geleistet hat, ist hundertfach dargestellt worden. Weniger bekannt aber ist Andreas Hofers Jugendzeit und die Eigenart des Passeirervolkes überhaupt. Da hat nun Herr Dr. Franz Jnnerhofer in Meran, der einer Altmeraner Familie entstammt, einen glücklichen Fund gemacht. Ein unermüdlicher Sammler von Dokumenten der Heimatsgeschichte, hat er ein Manuskript entdeckt, das von einem gewissen Josef Thaler, vulgo Hasler, aus St. Martin in Passeier stammt, einem einfachen, schlichten Bauern, der Zeitgenosse und Freund Hofers war. Obwohl Thaler das Konzept seiner „Hofer-Geschicht“ vollendete, kam er mit der Reinschrift nur bis zum 24. Abschnitt, als ihn der Tod ereilte. Diese Reinschrift vollendete der Direktor der Bozener Bürgerschule Jakob Pöll, auch ein Zeitgenosse Hofers. Dr. Jnnerhofer hat diese Schrift jetzt zum Fest drucken lassen (Meran, Ellmenreichs Verlag). Die Vorrede dieses Büchleins ist in der Originalschreibweise des bäuerlichen Verfassers wiedergegeben. Als ein Beispiel folge hier die Einleitung: Vorrede an den ginstigen Leser. Mein gedreister Leser ich mues Dich ja schon zuvorauf um Verzeichen Biten, das ich mich Joseph Thaler unterstanden Ein geschichten Zu Schreiben oder Ein Buch dariber zu verförtig Weil ich von einer Rechtschreibung ganz und gahr kein Erkentes Besitze, doch wage ich Es und könnte Mihrs Ja Ein Jeder Rechts und wohl gelernter Leser Wohl verzeichen Weil ich das Schreiben Erst in die vierzig Jahr von Mihr selbsten und Hochen alter ohne lehrn Meister gelehrnt hab, Meine Hochgeehrthen leser das ich das geschichten Buech geschriben hab ist Mein Innerlicher und vor Nembster Antrib gewesen, da mit die Nach Welt auch noch sechen kann Was ich in Zeit Meines Lebens von aintausent Siben Hundert finf und Sechzig, bis aintausent achthundert Neun und Zbaunzigesten Jahrs, Neues gesechen Erfahren und Erlebet hab.“ Den übrigen Teil der Geschichte hat Herr Dr. Jnnerhofer in die jetzige Rechtschreibung übertragen.

Hofers Heimatshaus heißt eigentlich „Zur Krone“ und führt auch eine solche als Schild. Dreiviertel Stunden hinter St. Martin steht das schlichte, einfache Bauernhaus an der Straße, dem ehemaligen Saumwege, und gehört zur Gemeinde St. Leonhard. Der Hof ist nun Eigentum der Tiroler Adelsmatrikel, welche, im Bestreben, das Anwesen aus dem eigenen Pacht- und Bodenertrag zu erhalten, einen argen Mißgriff gemacht hat. Das schon etwas baufällige Haus wurde restauriert – ich möchte mich nicht hart ausdrücken und will daher sagen: in gedankenloser Weise. Das Originellste in einem Passeirerhause ist immer die Küche, die um so mehr Bedeutung im Leben der Bewohner hat, als sie im Winter der Plauschwinkel ist. Darum sagt auch der Passeirer zum Beispiel: „Heunt gian miar zen Kommerer Veita in der Kuchl auf’n Hoamgart“. Auf dem mächtigen Herde, wo immer die Hühnersteige steht, sitzen die Burschen, der Bauer auf dem Herdrande, und rauchen aus den kleinen eisernen Pfeifchen. Ein mächtiges Feuer prasselt auf dem Herde, und an einer aus dem mit Selchfleisch gefüllten weiten Rauchmantel hängenden Kette ist der Kessel befestigt, in welchem die Jungmagd für ihre Ferkel, „die Facklen, a Trankl kocht“. Die Mägde bringen sogar ihre Spinnräder nicht ungern in die Küche, denn da wird allerlei erzählt, von den Hexen, den Erzsuchern, dem Gottseibeiuns, der in Gestalt eines Stieres mit feurigen Augen die „Kellerlahn“, eine große, verheerende Muhre, „angelassen“ hat, und so weiter.

Heute hat Hofers Haus eine mächtige, moderne Küche mit einem Sparherd, an dem die wackere Hoferin sicherlich nicht zurecht gekommen wäre. Eine helle Glasveranda verunziert als Anbau das Haus, an Stelle des alten Schießstandes steht ein vernachlässigter Wagenschuppen, und im Garten, wo unter Hofers Zeiten Rosen und Nelken blühten und der Rosmarin duftete, stehen schlecht gepflegte Cypressen. Wenn es schon nötig war, aus dieser historischen Stätte, um sie zu erhalten, eine Erwerbsquelle zu machen, dann hätten die Herren der Verwaltung für die Matrikelkasse besser gesorgt, wenn sie am Waldesrand hinter Hofers Haus, ohne den herrlichen Ausblick auf das freundliche St. Leonhard, auf die romantische Jaufenburg und das Gebirge zu stören, einen der Bauart des Thales angepaßten Gasthof errichtet hätten zur Unterkunft für die Hofer-Pilger. Aus Hofers Haus aber hätte man sollen ein Museum machen mit Reliquien aus den Jahren 1797 und 1809, deren noch genug vorhanden sind. Es wäre aber durchaus nicht nötig gewesen, eingreifende bauliche Veränderungen vorzunehmen, sondern pietätvoll hätte man dabei das alte Haus erhalten können. Es verdirbt jedem Besucher die Stimmung, wenn er an Sonntagen zum Beispiel zu Hofers Haus wallfahrtet und findet Stuben und Kammern, Hausgang und Söller gefüllt mit zechenden Menschen, die an alles eher denken als an die Heimats- und Geburtsstätte Andreas Hofers, des Helden von Tirol.

Andreas Hofer wurde am 22. November 1767 geboren, in St. Leonhard getauft, und sein Pate war der Junggeselle Johann Pichler auf der „Mörra“. Eine kleine Wallfahrtskapelle stand schon damals bei dem Vaterhause mit einem Gnadenbilde, zu welchem Andreas Hofer immer einen frommen Gruß hinaufsendete, ob er thalaus oder thalein zog. Er war der einzige Sohn im Hause und hatte drei ältere rechte und eine jüngere Stiefschwester. In der Schule war er zwar kein hervorragender Schüler, aber fleißig und gehorsam. Er war der Liebling der Lehrer und auch seiner Mitschüler. Seine rasche Auffassung, seine Geistesgegenwart und seine geradezu verblüffende Ruhe fielen schon in der Jugend auf. Kaum war er der Schule entwachsen, als sein Vater starb. Hofer kam selbstverständlich unter Vormundschaft und dadurch auch wirtschaftlich zu Schaden.

Seine Stiefmutter war keine gute Hausfrau. Sie führte das Hauswesen so ungeschickt, daß sie aus dem Vermögen der Kinder in kurzer Zeit 1700 fl. verhauste. Als die älteste Schwester Hofers heiratete und die Zügel der Wirtschaft in die Hand nahm, begab sich Andreas nach Welschtirol, um die italienische Sprache zu erlernen, denn damals kamen viele welsche Händler und Kaufleute über den Jaufen, und die Passeirer zogen mit ihrem Kleinvieh bis nach Mailand und Genua nach dem Abtrieb von den Alpen: die Passeirer Schafe und Ziegen waren sehr gesucht.

Mit vielen Kenntnissen in der welschen Sprache und der Art und Weise des Handels in Italien, kam Andreas Hofer wieder nach Passeier zurück, ein schöner, kräftiger Bursche, der nicht ungern eine Aufforderung zu den unter den Bergleuten üblichen Ringkämpfen annahm, aus denen er zumeist auch als Sieger hervorging. Ein Zeitgenosse Hofers, das alte „Waltner Anderle“, schilderte mir das Aussehen desselben vor vielen Jahren, und ich habe gelegentlich der Vorbereitungen zu der diesjährigen Hoferfeier die damalige Aufzeichnung wieder hervorgesucht und gebe sie wörtlich, nur die Mundart des Verständnisses halber mildernd, wieder:

„Der Hofer Anderl ist a saubrer Mensch gwest. Stocket in der Gestalt und broat in die Achslen, daß ma gsechn hat, der Mensch, wenn er unpackt zelm kracht’s. ’s Gsicht ist kugelet gwest und die Nasn a fezzele eindruckt, nit grad was die Diandlen sauber hoaßn. Aber mit seine braun Augn hat er rödn kennen, der Anderle, und wenn er a Beichtvater gwest war, in verstockteste Sünder hätt’ er ’s Bekenntniß fürerglockt, a sou hat er schaugn können. Zwegn dem ist er aber döcht sanft gwest; wie a

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0726.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)