Seite:Die Gartenlaube (1899) 0684.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

der Abteilung für Untersuchung der Forstgewächse Javas, der Versuchsstation für Kaffeekultur, dem Laboratorium für Untersuchungen über Deli-Tabak, der Abteilung für landwirtschaftlich-zoologische Untersuchungen, der Bibliothek und dem photographischen Atelier einen Kulturgarten mit einer Ausdehnung von über 70 Hektaren und einen botanischen Garten und Gebirgsgarten mit Urwald von über 300 Hektaren umfaßt. 27 größtenteils promovierte Europäer und über 200 Inländer sind in den verschiedenen Abteilungen angestellt, und Jahr für Jahr treffen Gelehrte aus aller Welt hier ein, botanische Studien zu machen. Es ist dieser Garten für den Laien und für den Botaniker ein „botanisches Paradies“, das nirgends seinesgleichen hat.

Hier hat der Botaniker H. Molisch seine Versuche über das Ausfließen des Saftes aus Stammstücken von Lianen gemacht, die er durch weitere Versuche im Urwalde bei Tjibodas ergänzte.

Zunächst sei der Begriff „Liane“ festgestellt. Als Liane bezeichnet man nicht etwa eine bestimmte Gattung oder Familie. Es ist dies vielmehr eine Kollektivbezelchnung für verschiedenste Schling- und Kletterpflanzen, ob sie nun ausdauernde, verholzende Stämme haben oder krautartig wachsen, insofern sie auf fremde Stützen angewiesen sind, um emporzuklimmen. So giebt es Lianen unter den Feigen, Wachsblumen, Winden, Gurkengewächsen, Bignonien, Schlingfarnen, solche unter den purpurblütigen Passifloren und den Aristolochien Amerikas mit ihren Riesenblumen; ja selbst Palmen – die indischen Rotangs – schießen über 150 m in die Höhe empor und ranken sich von Baum zu Baum, und auch unter den Pandanen, Baumgräsern, Schachtelhalmen giebt es klimmende Pflanzen. Lianen sind aber auch unsere wilde Weinrebe, unsere Clematisarten, das Geißblatt, die Brombeere, die Kletterrosen, die blauglockige Alpenrebe unserer Voralpen.

Schneidet man einen nicht allzu dünnen Stamm einer dieser Lianen rasch durch und dann über der oberen Schnittfläche, etwa einen Meter höher, nochmals und hält das abgetrennte Stammstück senkrecht, so strömt Wasser, oft in überraschend großer Menge, aus der unteren Schnittfläche hervor. Das dauert etwa fünf Minuten. Wird dann das Stammstück zerschnitten, so kommt wieder Wasser, aber wieder nur aus der unteren Schnittfläche, hervor. Will man auch aus der oberen Schnittfläche Wasser austreten sehen, so muß man auch oben ein längeres Stück abtragen. So erhielt Molisch aus einem 5,5 cm dicken, 310 cm langen Stammstück der Liane Uncaria acida zuerst 235 kcm Saft, dann, zuerst unten, darauf oben ein Stück abschneidend, endlich das Reststück halbierend, noch 45 + 105 + 140 + 65 kcm Wasser, im ganzen also 590 kcm, was einer Flüssigkeitsmenge von etwas mehr als 1/2 l entspricht. Solche Versuche wurden an 24 Lianengattungen angestellt.

Weshalb gerade Lianen solche Wasserergiebigkeit zeigen, das liegt vor allem in der außerordentlichen Weite ihrer Gefäße, die wieder als Anpassung an die Lebensweise dieser Klimmpflanzen erscheint. Im Vergleiche zur Länge ist ja die Breite des Lianenstengels eine geringe; da ist eine rasche Leitung von Luft und Wasser nötig. Bedenkt man, daß die Höhe, bis zu der sich in Kapillarröhren Flüssigkeiten erheben können, im verkehrten Verhältnisse zum Dickendurchmesser steht, so leuchtet ein, daß das Wasser in so weiten Gefäßen nur bis zu einem gewissen Grade festgehalten wird und aus den plötzlich auf beiden Seiten geöffneten Gefäßen der größere Teil des Wassers ausströmt. Außer der Weite dieser Gefäße wird auch die Luftfeuchtigkeit und die Menge des Wasservorrates in der Liane auf die Menge des ausströmenden Wassers Einfluß haben.

Der ganze Vorgang dieses Wasserausströmens ist eine rein physikalische Erscheinung, eine Konsequenz des plötzlichen Luftdruckes auf die jäh aufgeschnittenen, mehr oder weniger wassererfüllten Gefäße der Liane. Die Kapillarität spielt sowohl bei dem Wasserheben als bei dem Wasserhalten in den Lianengefäßen eine nebensächliche Rolle.

Und auch unsere europäischen Lianen sind solche Wasserspenderinnen. Ein 108 cm langes, 1,5 cm dickes Zweigstück unserer Weinrebe lieferte 7,5 kcm Saft.

So haben sich denn die Mitteilungen Tropenreisender bewahrheitet, daß der aus den Stammstücken abtropfende klare Saft ein hochwillkommenes Mittel biete, den Durst zu löschen, worüber bisher nur vereinzelte wissenschaftliche Untersuchungen vorlagen. Frühere Reisende konnten sich solchen Saftabfluß in zweierlei Weise zu Nutzen gemacht haben, entweder indem sie das Bluten tropischer Gewächse ausnutzten oder verschiedene Urwaldpflanzen anbohrten. Haben ja kürzliche Versuche im Botanischen Garten zu Buitenzorg ergeben, daß ein angebohrter 10 cm dicker Stamm von Conocephalus azureus in den ersten 11 Nachtstunden 7820 kcm oder über 73/4 l klaren Saftes lieferte. Vor einigen Jahren hat Lecomtes von Musanga Smithii, einer Verwandten von Conocephalus, in 13 Stunden der ersten Nacht 9250 kcm oder 91/4 l Saft erhalten. Von einer 12jährigen Birke bekam man in 24 Stunden 5 l Saft. Noch weniger kann Urwaldreisenden die Wasserfülle der Lianen entgangen sein. Mußten sie sich doch oft genug mit dem Beil Schritt für Schritt den Weg durch das Lianengewirre bahnen.


Die Marienburg.

Von Ernst Wichert.0 Mit Abbildungen nach Photographien von H. Ventzke in Rathenow.

 (Schluß.)

Uns vom Portal des Hochschlosses rechts wendend, gelangen wir zu der Steintreppe, die ins Obergeschoß der Arkaden hinaufführt. Wir treten in den herrlichen Kreuzgang ein, der die Eingänge zum Kapitelsaal und zur Kirche enthält. Die beiden Räume füllen diesen Flügel ganz aus. Das Sterngewölbe des Kapitelsaals ruht auf drei schlanken achteckigen Granitpfeilern und kunstvoll gestalteten, nur wenig ausladenden, pfeilerartigen Kapitälen, an den Wänden aber auf halbachteckigen Pfeilerstücken aus dunklem Kalkstein, die selbst wieder auf verzierten Kragsteinen von hellerem Stein aufstehen. Er erhält sein Licht durch vier hohe Spitzbogenfenster nach der Außenseite hin. Die jetzt noch kahlen Wände waren früher mit den Bildern der Hochmeister bemalt und mit sinnigen Sprüchen beschrieben. Man muß sich rund um den schönen Saal Bänke oder Stühle gestellt denken, auf welchen um den Hochmeister her die Würdenträger des Ordens, der Großkomtur, der Ordensmarschall, der Oberst-Trappier (der für die Bekleidung der Ritter sorgte), der Oberst-Spittler(der die Krankenpflege unter sich hatte) und der Oberst-Tressler (Schatzmeister), ferner die Komture der andern Landesburgen, bei wichtigen Gelegenheiten auch der zugereiste Deutschmeister und der Meister der livländischen Schwertbrüder Platz nahmen, wenn sie bei verschlossenen Thüren des Ordens Heimlichkeit berieten. Hier wurden die Hochmeister gewählt und abgesetzt oder ihres Amtes entlassen, wenn sie seiner schweren Bürde müde geworden. Das Kapitel war in allen Ordensangelegenheiten die oberste Instanz.

Der Kapitelsaal.

Der Kapitelsaal wird von der Kirche nur durch eine Wand getrennt. In derselben findet sich eine einfache Thür, durch welche, wie man annimmt, der Hochmeister nach den Beratungen zum Gottesdienst gleich in die Kirche treten konnte, wo er unter einem von Säulen getragenen, künstlerisch verzierten Vorbau an der andern Seite der Wand vor den versammelten Rittern erschien. Den eigentlichen Eingang zur Kirche bildet die prächtige „Goldene Pforte“. Man sieht sie nicht von dem auf Seite 685 oben dargestellten Kreuzgang dieses Flügels aus; die Thür

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0684.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)